Tiertransporte aus der EU in Drittstaaten – eine juristische Odyssee (Teil III)

Trotz der Einführung der EU-Verordnung über Tiertransporte 2007 hat sich die Lage für die Tiere auf Langstreckentransporten vor den Toren der Union nicht verbessert. Im Gegenteil kann sogar eine Verschlimmerung der Zustände beobachtet werden. Welche Rolle nehmen dabei die Amtsveterinär:innen ein? – Ein Blick auf die deutsche Umsetzung.

Nie enden wollende Transportrouten, keine oder zu wenige Pausen, nicht existierende oder unzureichende Pausenplätze, extreme Temperaturen in Sommer und Winter, grausame Haltungs- und Tötungspraktiken am Zielort, widersprüchliche Angaben in den Dokumenten (mit den Zuständen auf Tiertransporten in Drittstaaten beschäftigt sich Teil I dieser Beitragsreihe) – trotz allem war es für viele Amtstierärzt:innen selbstverständlich, über Jahre hinweg nahezu jeden Tiertransport in ferne Drittstaaten zu genehmigen.

Rechtliche Unsicherheiten für Veterinär:innen

Ein jähes Ende fand diese Praktik dann im Frühjahr 2018. Grund dafür war die Veröffentlichung einer Beitragsreihe des österreichischen Tierarztes Dr. Alexander Rabitsch und des deutschen Juristen Christoph Maisack in einer amtstierärztlichen Zeitschrift.[1]Maisack, Rabitsch, Zur Plausibilitätsprüfung nach Artikel 14 (1) a) ii) anlässlich der Genehmigung langer grenzüberschreitender Transporte in Drittstaaten, … Weiterlesen

Ein Jahr später folgte ein Gutachten des Mannheimer Juristen Prof. Dr. Jens Bülte.[2]Bülte, Zur Strafbarkeit von Tierärzten wegen Beihilfe zur Tierquälerei durch Mitwirkung an Tiertransporten in tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten durch Erteilung von Stempeln, … Weiterlesen

Inhalt beider Schriften war die Strafbarkeit von Amtstierärzt:innen wegen Beihilfe zur Tierquälerei nach deutschem bzw. österreichischem Recht (§ 17 Nr. 2 b TierSchG bzw. § 222 Abs. 1 Nr. 1 ö. StGB). Auch ihre Garantenstellung für die in ihrem Verantwortungsbereich stehenden Tiere und eine mögliche Strafbarkeit durch Unterlassen wurde thematisiert.

Die Veterinär:innen, die nun um die möglichen strafrechtlichen Folgen ihres Handelns wussten, verweigerten nun die Abfertigung von Hochrisikotransporten, bei denen die EU-Standards nicht gewährleistet werden konnten.

Das „Sammelstellen-Hopping“

Dessen ungeachtet gibt es einige wenige, die in ihren Landkreisen weiterhin Transporte in Hochrisikogebiete abfertigen. Diese uneinheitliche Vorgehensweise hat zu einer unschönen Entwicklung geführt: Transportunternehmen aus der gesamten Republik nutzen das sogenannte „Sammelstellen-Hopping“, bei dem sie sich zur Genehmigung in die Landkreise begeben, in denen weiterhin Abfertigungen erfolgen.[3]Mehr hierzu in Teil I dieser Themenreihe: Tiertransporte aus der EU in Drittstaaten – eine juristische Odysee (Teil I) Für die Tiere bedeutet dies oft hunderte Kilometer und mehrere Stunden Umweg, die sie in den Transportfahrzeugen ausharren müssen.

Die verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren

Als wäre es nicht schon bezeichnend genug, dass einige Tierärzt:innen ihre Rolle als Garant für den Schutz der von ihnen betreuten Tiere erst dann ernst nehmen, wenn sie eine Strafverfolgung fürchten, so wird ihnen jenes neue, EU-rechtskonforme Verhalten von der Judikative zusätzlich erschwert: In einer Reihe von Eilverfahren, welche Transportunternehmen nach Verweigerung von Abfertigungen ihrer Transporte gegen die zuständigen Veterinärämter angestrengt hatten, kippten die Gerichte zumeist jene Verweigerungen.

Diese argumentierten zumeist damit, dass die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit (Art. 14 I GG) und die ökonomischen Interessen des Transportunternehmens höher zu gewichten seien als die bloße Staatszielbestimmung des Tierschutzes (Art. 20 a GG) und die einfachgesetzlichen Regelungen. Auch sei es in der Hinsicht dem einzelnen Transportunternehmen unzumutbar, die Beweislast für etwaige Verstöße gegen das europäische/deutsche Tierschutzrecht in Drittstaaten zu tragen, so das OVG Münster. Nach dessen Ansicht müsse das Veterinäramt selbst die Beweisführung übernehmen und könne sich nicht auf „generell bekannte Zustände“ in den betreffenden Staaten berufen.[4]Urteil des OVG Münster vom 10.12.2020 – 20 B 1958/20, https://openjur.de/u/2310404.html [zuletzt abgerufen am 07.04.2021].

Und was sagt der EuGH?

Im Widerspruch dazu stellte jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2015 fest, dass es sehr wohl dem Transportunternehmen obliegt, einen Transportplan mit wirklichkeitsnahen Angaben zum Ablauf der Fahrt vorzulegen. Der Behörde ist es demnach nur gestattet, einen Transport abzufertigen, sofern die gemachten Angaben des Transporteurs wirklichkeitsnah sind und aus ex-ante-Sicht (also aus Sicht des objektiven Betrachters) auf die Einhaltung der geltenden Schutzstandards vertrauen lassen. Dabei sind alle Angaben in den einzureichenden Papieren zu berücksichtigen: sowohl das Transportfahrzeug, die Route, die realitätsnahe Planung von Wartezeiten und Pausen (für Tiere und auch Fahrer:innen), die Ausstattung der Pausenplätze als auch die zu erwartenden Witterungsbedingungen in Transit- und Zielstaaten.

Für deren Einhaltung ist, entgegen den Ausführungen des OVG, der durchführende Transporteur verantwortlich. Weitere Einblicke in die europäischen Regelungen und deren Praxis bietet Beitrag II dieser Themenreihe.

Warum scheint sich die Rechtsprechung uneinig zu sein?

Weshalb das OVG Münster und andere Gerichte die Ausführungen des EuGHs derart außer Acht lassen, bleibt nur zu vermuten. Grund dafür könnte zum einen die oftmals mangelnde Praxis der Richter:innen in Hinblick auf das sehr komplexe und unübersichtliche Tierschutzrecht sein, welches sowohl nationale als auch EU-rechtliche Regelungen verknüpft. Zum anderen ist in Eilverfahren nur eine summarische, also oberflächlichere Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen. Dies kann dazu führen, dass die Gerichte nur die grundsätzlichen, widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen, bei denen das Eigentums-Grundrecht auf den ersten Blick zu überwiegen scheint.

Selbstverständlich führten jene Entscheidungen zu einer großen Verunsicherung innerhalb der Veterinärämter, wie ihre Arbeit denn nun auszugestalten sei.

Erlasse als kurzfristige Lösung?

Dem wirkten im Herbst und Winter 2020 einige Erlasse der Landesministerien entgegen.[5]PETA, Auflistung der Bundesländer, die noch Tiertransporte in Drittstaaten erlauben, https://www.peta.de/themen/tiertransporte/ [zuletzt abgerufen am 07.04.2021].

Durch die Corona-Pandemie hatten sich die Zustände an den Grenzübergängen mit teils tagelangen Wartezeiten für die Tiere massiv verschlimmert, sodass sich eine Reihe von Bundesländern aufgefordert sah, Beschränkungen oder Verbote von Abfertigungen der Transporte in Drittstaaten zu erlassen. Leider fehlt auch hierbei bislang ein einheitliches Vorgehen der Länder oder des Bundes, sodass nun noch einmal mehr „Sammelstellen-Hopping“ begünstigt wird. Zudem ist unklar, ob die erteilten Erlasse auch der gerichtlichen Beurteilung standhalten können.

Generell sind diese Erlasse nunmehr zeitlich beschränkt, da sie nur vor pandemiebedingten Zuständen schützen wollen.

Fazit – Teil III

Es fehlt somit weiterhin an einer einheitlichen gesetzlichen Regelung, der auch die Gerichte folgen werden und die den notwendigen Schutz für Tiere bietet. Nötig wäre daher eine bundeseinheitliche Gesetzgebung, die sowohl den Gerichten als auch den Amtsveterinär:innen aufzeigt, wie das geltende EU-Recht zu verstehen und umzusetzen ist. Darüber hinaus bleibt weiterhin zu fordern, dass Tiertransporte in Drittstaaten EU-weit verboten werden müssen.

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war im Frühjahr 2021 Rechtspraktikantin bei PETA Deutschland e.V. in Berlin und unterstützt den Tierrechtsblog in ihrer Freizeit weiterhin.

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