Historische Perspektiven: Wie Gesetze Sexismus und Rassismus möglich machten – und welche Parallelen zu Speziesismus bestehen

(Aus dem Englischen übersetzt.
Original text below the German translation.)

 

Sexismus und Rassismus sind Formen von Ungerechtigkeit, wie wir sie weltweit beobachten können. Doch die Gesellschaft wendet sich immer stärker davon ab, was feministischen und antirassistischen Bewegungen Aufwind verleiht.

Historisch betrachtet ließen nationale und internationale Gesetze vielfach Diskriminierung zu, da die betroffenen Individuen als nicht wichtig genug erachtet wurden. Erst im 20. Jahrhundert traten die ersten Gesetze im diesem Bereich in Kraft.

Heute ist das Recht ein völlig anderes. Die meisten westlichen Länder verfügen über einen starken rechtlichen Rahmen zum Schutz vormals diskriminierter Gruppen. Aber haben wir aus diesen Fehlern gelernt? Die Parallelen zum Speziesismus sind jedenfalls unverkennbar.

Sexistische Gesetze

Vor dem 20. Jahrhundert wurde Frauen nur minimaler Schutz gegen Diskriminierung durch die männliche Hegemonie zuteil.[1]Julia Gillard, ‘A Global Story: Women’s Suffrage, Forgotten History, and a Way Forward’ (Brookings 2020) www.brookings.edu/essay/a-global-story/; letzter Zugriff: 10. Mai 2021. So war es beispielsweise bis zur Verabschiedung des britischen Sex Discrimination Act von 1975 legal, Frauen nur aufgrund ihres Geschlechts bestimmte berufliche Tätigkeiten zu verweigern. Vor dem Matrimonial Causes Act von 1973 konnten nur Männer bei Ehebruch die Scheidung veranlassen. Und bis zum Equal Pay Act von 1970 war es völlig legal, Frauen für die gleiche Arbeit weniger zu bezahlen als ihren männlichen Kollegen.

Zudem fehlt und fehlte es weltweit in vielen Bereichen an rechtlichem Schutz vor sexualisierter Gewalt. Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten wurde im internationalen Recht beispielsweise lange weitestgehend ignoriert, heruntergespielt oder toleriert.[2]Christine Chinkin, ‘Rape and Sexual Abuse of Women in International Law’ (1994) 5 European Journal of International Law 326, 334. Erst nach 1945 wurden über 20 Rechtsinstrumente geschaffen, um diejenigen Aspekte des internationalen Rechts zu reformieren, die Sexismus möglich machten.[3]Natalie Kaufman Hevener, International Law and the Status of Women (Routledge 2019).

Rassistische Gesetze

Der transatlantische Handel mit versklavten Menschen zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert ist eines der bekannteren Beispiele von systematischem Rassismus. Die „Sklavengesetze“ der USA hatten einen großen Anteil daran, dass die Diskriminierung versklavter Menschen überhaupt möglich war. In einigen Bundesstaaten durften diese nicht einmal lesen lernen.[4]Rose Sanders, ‘A History to Remember’ (Inmotionmagazine.com 1998) https://inmotionmagazine.com/track.html; letzter Zugriff: 11. Mai 2021. Die Nürnberger Gesetze Nazideutschlands von 1935 ließen Rassismus gegen Nicht-Arier:innen nicht nur zu, sie trieben sie sogar aktiv voran. So wurden beispielsweise im Jahr 1937 Teile der Schwarzen deutschen Bevölkerung zwangssterilisiert.[5]Eve Rosenhaft, ‘What Happened to Black Germans Under the Nazis?’ (The Conversation 2016) https://theconversation.com/what-happened-to-black-germans-under-the-nazis-53599; letzter Zugriff: 11. Mai … Weiterlesen Die Apartheid-Gesetze, die es von den 1850ern bis in die 1970er in Südafrika gab, sind ein weiteres Beispiel dafür, wie nationale Gesetzgebungen Rassismus ermöglichen können. Unter den Apartheid-Gesetzen war es legal, Schwarze Südafrikaner:innen in öffentlichen Räumen, Fahrzeugen und bei Dienstleistungen unter Zwang von der weißen Bevölkerung zu trennen.[6]Reservation of Separate Amenities Act 1953.

Ermöglicht das Recht heute andere Formen der Diskriminierung?

Gesetze haben historisch betrachtet ganz eindeutig die oben erwähnten Diskriminierungsformen möglich gemacht und so in signifikantem Maße Gesellschaften rund um den Globus geformt. Heute werden zwar immer noch Menschen diskriminiert, aber viele nationale und internationale Gesetze unterstützen diese Diskriminierung nicht mehr und bieten darüber hinaus Mittel und Wege, sie zu stoppen. Das Berliner Antidiskriminierungsgesetz von 2020 verbietet Diskriminierung aufgrund mehrerer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder rassistischen Zuschreibungen.[7]Jenny Gesley, ‘Germany: Berlin Adopts Antidiscrimination Act | Global Legal Monitor’ (Library of Congress, 2020) … Weiterlesen Ein weiteres Beispiel ist die Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948, die erstmals fundamentalste Menschenrechte benannte, die universell geschützt werden sollten.[8]Universal Declaration of Human Rights (adopted 10 December 1948) UNGA Res 217 A(III) (UDHR).

Doch bis heute gibt es kein nationales oder internationales Gesetz, das die Nutzung und systematische Ausbeutung von Tieren unabhängig von der Spezies und dem Zweck der Ausbeutung untersagt. Diese Form der Diskriminierung ist bekannt als Speziesismus[9]Peter Singer, ‘Why Speciesism Is Wrong: A Response to Kagan’ (2016) 33 Journal of Applied Philosophy 31. und sie wird ermöglicht durch diverse Rechtsinstrumente.

So gestattet es etwa der Animal Welfare Act von 2006 im Vereinigten Königreich, Tiere zur Nutzung durch den Menschen zu töten. Das Gesetz erkennt den Akt der Tötung an sich nicht als Tierschutzproblematik an.[10]Joe Wills, ‘A Nation of Animal Lovers? The Case for a General Animal Killing Offence in UK Law’ (2018) 29 King’s Law Journal 407.

International betrachtet lässt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ausdrücklich die Ausbeutung und Diskriminierung von Tieren zu Nutzen des Menschen zu.[11]United Nations, ‘Animal Production’ (Food and Agriculture Organization of the United Nations 2021) www.fao.org/animal-production/en/; letzter Zugriff: 11. Mai 2021.

Die Politik spricht oft voller Schuldbewusstsein über die legale Diskriminierung von Frauen und versklavten Menschen in der Vergangenheit. Dabei wird jedoch meist kein Bezug zur heutigen gravierenden Diskriminierung von Tieren hergestellt.

Die historische Verbindung des Rechts zu Sexismus und Rassismus stellt im Kontrast zur fortwährenden legalen Diskriminierung von Tieren einen nicht zu rechtfertigenden Widerspruch dar. Diesen gilt es einzugestehen und zu korrigieren.

Speziesismus muss gesetzlich als eine Diskriminierungsform anerkannt werden, die wir – genau wie Sexismus und Rassismus – ausmerzen sollten, um eine gerechte Welt für alle zu schaffen.

 

 

Original text

The Law’s Historical Enablement of Sexism and Racism – and what parallels exist with speciesism

Sexism and racism are forms of injustice seen around the globe, but society is moving towards eradicating them and giving rise to more feminists and anti-racism activists. Historically, domestic and international laws have allowed discrimination to occur, as the individuals who fell victim to these acts were regarded as unimportant. Only in the 20th century did effective legislation begin to be passed to tackle this problem. Today, the law has completely transformed itself. Most nations in the West have a strong legal framework to protect groups formerly discriminated against. But have we learned from these mistakes? In any case, the parallels to speciesism are unmistakable.

The Law’s Historical Enablement of Sexism

Women had minimal protection against discrimination by the male hegemony prior to the 20th century.[12]Julia Gillard, ‘A Global Story: Women’s Suffrage, Forgotten History, and a Way Forward’ (Brookings 2020) <www.brookings.edu/essay/a-global-story/> accessed 10 May 2021. For example, prior to passage of the Sex Discrimination Act 1975 in the UK, it was legal to refuse women certain job roles simply because of their sex. Before the Matrimonial Causes Act 1973, only men could divorce their wives on the grounds of adultery. And before the Equal Pay Act 1970, it was completely legal to pay women less for doing the same work as their male counterparts, simply because of their sex.

Women around the world have also endured legally condoned sexist acts. For example, rape in armed conflict was “widely ignored, underplayed or tolerated” within international law.[13]Christine Chinkin, ‘Rape and Sexual Abuse of Women in International Law’ (1994) 5 European Journal of International Law 326, 334. It was only after 1945 that more than 20 legal instruments were introduced to reform the aspects of international law enabling sexism.[14]Natalie Kaufman Hevener, International Law and the Status of Women (Routledge 2019).

The Law’s Historical Enablement of Racism

The 16th–19th century transatlantic trade in enslaved humans is one of the better-known examples of systematic racism. The “slave codes” in the US played a significant role in enabling discrimination against enslaved humans. In some states, it was illegal for them to learn how to read.[15]Rose Sanders, ‘A History to Remember’ (Inmotionmagazine.com 1998) <https://inmotionmagazine.com/track.html> accessed 11 May 2021 The 1935 Nuremberg laws of Nazi Germany not only allowed but also promoted racism against non-Aryans. For example, in 1937, some of the Black German population was forcibly sterilised.[16]Eve Rosenhaft, ‘What Happened to Black Germans Under the Nazis?’ (The Conversation 2016) <https://theconversation.com/what-happened-to-black-germans-under-the-nazis-53599> accessed 11 May … Weiterlesen Apartheid legislation in South Africa from the 1850s through the 1970s is another example of national laws enabling racism. As a part of apartheid legislation, it was legal to forcibly segregate Black South Africans from the white population in public spaces, vehicles, and services.[17]Reservation of Separate Amenities Act 1953.

Does the Law Enable Another Form of Discrimination Today?

Clearly, the law has historically enabled the types of discrimination mentioned, significantly shaping societies around the world. Today, although such discriminatory acts persist, many international and domestic laws no longer support them and, in fact, provide a means to stop them. Berlin’s State Antidiscrimination Act of 2020 prohibits discrimination based on certain characteristics, such as age, sex, or race.[18]Jenny Gesley, ‘Germany: Berlin Adopts Antidiscrimination Act | Global Legal Monitor’ (Library of Congress, 2020) … Weiterlesen Another example is the Declaration of Human Rights 1948, which, for the first time, laid out the most fundamental human rights that are to be universally protected.[19]Universal Declaration of Human Rights (adopted 10 December 1948) UNGA Res 217 A(III) (UDHR).

However, there are no domestic or international laws prohibiting the use and systematic exploitation of animals regardless of their species and the purpose of their exploitation. This form of discrimination is known as speciesism,[20]Peter Singer, ‘Why Speciesism Is Wrong: A Response to Kagan’ (2016) 33 Journal of Applied Philosophy 31 and different legal instruments enable it. For example, in the UK, the Animal Welfare Act 2006 allows for the killing of animals for human use. The act does not recognise the act of killing as a welfare issue in and of itself.[21]Joe Wills, ‘A Nation of Animal Lovers? The Case for a General Animal Killing Offence in UK Law’ (2018) 29 King’s Law Journal 407.

Internationally, the Food and Agricultural Organization of the United Nations specifically permits exploitation of and discrimination against animals for human use.[22]United Nations, ‘Animal Production’ (Food and Agriculture Organization of the United Nations 2021) <www.fao.org/animal-production/en/> accessed 11 May 2021.

Contemporary politicians and legislators often reflect in shame upon past legal discrimination against women and enslaved humans. However, they fail to see the connection to present-day, egregious discrimination against animals.

The law’s historical relationship to sexism and racism in contrast to the continued legal discrimination against animals represents an unjustifiable inconsistency that must be acknowledged and rectified. Speciesism must be legally recognised as a form of discrimination that we should eradicate, as sexism and racism have been, in order to create a just world for all.

 

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war im Frühjahr 2021 Rechtspraktikantin bei PETA Deutschland e.V. und studiert Rechtswissenschaft in Manchester.

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