¡Muchas felicidades, Panamá! – Echte Rechte für Meeresschildkröten

Präsident Laurentino Cortizo Cohen unterzeichnet neues Gesetz für Panama

In dem Gesetz No. 372 der Nationalversammlung vom 1. März 2023 wurde das Recht der Meeresschildkröten Panamas festgeschrieben, „in einer gesunden Umwelt zu leben und sich frei bewegen zu können, (eine Umwelt,) die ohne Verschmutzung und andere anthropogene Einflüsse ist, welche physische oder gesundheitliche Schäden verursachen, wie zum Beispiel Klimawandel, Verschmutzung, unbeabsichtigter Fang, Küstenentwicklung und unregulierter Tourismus.“[1]Originaltext des Gesetzes: https://www.gacetaoficial.gob.pa/pdfTemp/29730_A/GacetaNo_29730a_20230301.pdf, zuletzt abgerufen am 05.06.2023.

Nach Ecuador, das bereits im Jahr 2008 in seiner Verfassung das „Right of Nature“ (RoN), das Recht/die Rechte der Natur, verankerte, hat nun Panama ein Gesetz erlassen, welches zumindest einem Teil der dort lebenden Wildtiere eigene Rechte einräumt. Wilde Meeresschildkröten gibt es in Panama sehr viele – dort finden sich die weltweit wichtigsten Nistplätze für Lederschildkröten und Karettschildkröten.

Mit der Anerkennung der „Schildkröten-Rechte“ wird einerseits eine globale Bewegung vorangetrieben, die der Natur Rechte verleihen will, andererseits bekommt auch der Artenschutz einen Booster. Vor allem bedeutsam sind aber die unmittelbaren Folgen für den Individualtierschutz der wilden Schildkröten. Klassischerweise hat sich die Bewegung der „Rechte der Natur“ vor allem auf Berge, Flüsse und Urwälder bezogen; Tiere waren dabei nur so weit geschützt, wie sie aus anthropozentrischer Sicht als Teil eines schützenswerten Ökosystems mitzudenken waren. Panama geht einen Schritt weiter und schließt sich der Bewegung an, die schon in dem Estrellita-Urteil des Ecuadorianischen Verfassungsgerichts vom Januar 2022 abzulesen war: (Wilde) Tiere sind Teil der Natur; sie sind aber auch Individuen und haben auch deshalb Rechte.

Echte Rechte für die Tiere

Das Gesetz ist kein bloßes Lippenbekenntnis. Es legt ausdrücklich fest, dass Meeresschildkröten Rechte als Lebewesen haben. Unter engen Voraussetzungen dürfen ausgewählte indigene Gemeinschaften die Schildkröten und deren Eier zwar weiter „nutzen“, soweit dies deren Lebensunterhalt dient. Für alle anderen verboten ist jegliche Entnahme der Tiere und ihrer Eier aus der Umwelt, Handel mit den Tieren, jegliches Bau- oder Entwicklungsvorhaben und auch jede Form von Tourismus, durch welche die Tiere gestört werden könnten. Auch schädliche Umwelteinflüsse wie der Klimawandel, die die Lebensgrundlage der Tiere bedrohen, sind nach dem Wortlaut „verboten“.

Verstöße gegen die oben skizzierten Rechte der Meeresschildkröten können von den panamaischen Bürger:innen im Namen der Tiere (sogenannte Prozessstandschaft) geltend gemacht werden. Bürger:innen können rechtlich gegen Einzelpersonen, Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen vorgehen. Im Vergleich zur Rechtslage davor ist das ein großer Fortschritt: Bisher waren die Schildkröten und ihre Eier nur in Nationalparks und bestimmten Meeresgebieten geschützt, aber die Reichweite dieses Gesetzes und dessen Durchsetzung waren unklar beziehungsweise unzureichend.[2]Jennifer McDermott, Arnulfo Franko, in: In Panama, Legal Rights given to Sea Turtles, boosting the ‘rights of nature” movement; … Weiterlesen

Die Gestaltung des Gesetzes enthält eine tierschutzrechtliche Besonderheit: Es stellt die Meeresschildkröten und ihre Bedürfnisse voran, nicht den Menschen und seine Interessen oder das Verhältnis der Tiere zu den „nutzenden“ Menschen[3]Nicholas Formherz, Erica Lyman, in: Panamanian Law extends rights to sea turtles; https://law.lclark.edu/live/news/50804-panamanian-law-extends-rights-to-sea-turtles, zuletzt abgerufen am 05.06.2023. (sieht man von den bedingten „Nutzungsrechten“ der indigenen Bevölkerung ab). Insgesamt ist diese Entwicklung nicht nur angesichts der Biodiversitätskrise und des Artensterbens erfreulich; auch die Rechtsentwicklung in diesem Bereich lässt die wachsende Einsicht erkennen, dass Tiere als Individuen Rechte brauchen – und dass diese unabhängig von ihrem Nutzen für die Menschen als Schutz für Individualrechtsgüter der Tiere formuliert werden können. Unsere Glückwünsche gehen raus an die panamaischen Meeresschildkröten – und an ganz Panama! Für die Tiere in Gefangenschaft, die bisher nur in sehr vereinzelten Fällen Rechte zugestanden bekommen haben, geht die Diskussion weiter wie gehabt.

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ist seit Dezember 2021 Teil des Rechtsteams bei PETA in Berlin mit den Schwerpunkten Tier(schutz)recht, Tierethik und Verfassungsrecht.

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