(Aus dem Englischen übersetzt.
Original text below the German translation.)
Die Jagd ist eine weltweit praktizierte, grausame Aktivität. Gejagt werden Tiere, wie Rehe und Wildschweine. Aber auch Singvögel.
Wer jagt, bedient sich verschiedener Methoden, um die jeweiligen Tiere zur Strecke zu bringen. In Frankreich werden zur Jagd auf Vögel seit jeher häufig Klebefallen verwendet, sogenannte Leimruten. Nun entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass diese Methode nicht mehr angewandt werden darf. Wir möchten uns anlässlich dieses Urteils damit befassen, wie Leimruten genutzt werden, was dabei genau mit den Vögeln geschieht, wie die Praxis rechtlich zu bewerten ist und was das EuGH-Urteil bedeutet.
Was sind Leimruten?
Leimruten werden traditionell zur Vogeljagd eingesetzt. Dabei wird eine klebrige Substanz, genannt Vogelleim, auf einen Ast aufgetragen, von dem man weiß, dass sich dort häufig Vögel niederlassen. Kommen die Vögel in Kontakt mit der Substanz, bleiben sie kleben. Die Jagd mit Leimruten findet schon seit Langem in vielen Ländern statt. Doch jüngst stand Frankreich im Fokus, da dort besonders viele Vögel Opfer der grausamen Praxis werden und da es eines der letzten Länder der EU ist, in dem noch mit Leimruten gejagt wird.[1]Ella Glover, ‘French Practice of Glue Traps for Songbirds Ruled Illegal’ (The Independent, 17. März 2021) … Weiterlesen
Die französischen Behörden genehmigten für das Jahr 2019 die Leimruten-Jagd für insgesamt 42.500 Vögel – das ist die Hälfte der im Jahr zuvor genehmigten Anzahl.[2]Kim Willsher, ‘ECJ Orders France to Ban Glue-Trap Hunting of Songbirds Outright’ (The Guardian, 17. März 2021) … Weiterlesen Diese Massen sind schier überwältigend, besonders wenn man bedenkt, dass der Einsatz von Leimruten und anderer Methoden, mit denen Vögel massenhaft und wahllos gefangen werden, nach EU-Recht – und damit auch für Frankreich – schon seit 2009 illegal sind.[3]Council Directive 2009/147/EC on the conservation of wild birds, § 8 i.V.m. Anhang IV.
Die Wirkungsweise der Leimruten
Leimruten bedeuten unsägliches Leid für all die wahllos gefangenen Vögel, die an die klebrige Substanz gelangen. Die Tiere kleben daran fest und der Klebstoff verteilt sich auf ihrem ganzen Körper, teils sogar über Schnabel und Gesicht. Die Vögel versuchen panisch, sich zu befreien. Es gibt Hinweise darauf, dass sie teils qualvolle 30 Minuten so ausharren müssen.[4]Kim Willsher, ‘Slaughter of the Songbirds: The Fight Against France’s “Barbaric” Glue Traps‘ (The Guardian, 30 November 2019) … Weiterlesen Je mehr sie zappeln, desto schlimmer wird ihre Lage.[5]Ibid. Äste, die mit der Substanz bestrichen wurden, werden häufig als „Todesfalle“ bezeichnet.[6]Ibid.
Zu dem allein durch den Kleber verursachten Leid kommt hinzu, dass Jäger:innen die Tiere oft mit giftigen Materialien wie Benzin oder Azeton besprühen, um sie von den Fallen zu lösen.[7]Ibid. Doch häufig genügt diese Maßnahme nicht, und so reißen sie die Vögel von den Ästen, wodurch vielen große Teile ihre Federn ausgerissen werden.[8]Alison Hird, ‚Is The Contested French Tradition of Glue-Hunting Songbirds Coming to an End?‘ (rfi, 29 August 2020) … Weiterlesen Aus all diesen Gründen gab es an der anhaltenden Nutzung der Methode in Frankreich massive öffentliche Kritik.
Rechtliche Hintergründe und das EuGH-Urteil
Am 17. März 2021 entschied der EuGH, dass sich die durch Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie zulässigen Ausnahmen nicht auf bloße Tradition beziehen.[9]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 1, 17. März 2021) … Weiterlesen Artikel 9(1) und (2) legen die strikten Vorgaben für Ausnahmeregelungen fest und erwähnen den Aspekt Tradition dabei nicht. Frankreich interpretierte Artikel 9(1) hingegen als Ausnahmegründe und gab an, Tradition sei durch nichts zu ersetzen, weshalb es „keine andere zufriedenstellende Lösung“ gäbe. Das Land versuchte seinen Standpunkt mit der Behauptung zu rechtfertigen, Vögel, die versehentlich gefangen werden, würden wieder freigelassen.[10]Elian Peltier, ‘France Prohibits a Bird Hunting Technique, 41 Years After an E.U. Ban’ (The New York Times, 28. August 2020) www.nytimes.com/2020/08/28/world/europe/france-glue-traps-birds.html; … Weiterlesen Der EuGH ging nun auch auf diesen Punkt ein und erklärte, versehentlich gefangene Vögel würden „irreparable Schäden davontragen“, wenn sie mit der klebrigen Substanz in Berührung kamen. Das mache Leimruten zu einer willkürlich wirkenden und damit illegalen Methode.[11]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 2, 17. März 2021) https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2021-03/cp210040en.pdf; … Weiterlesen
Die Entscheidung des Gerichts war nicht nur eine Erleichterung, sondern auch eine Überraschung. Denn im November 2020 hatte ein Gericht entschieden, dass die kulturelle Begründung eines Landes als Ausnahme ausreiche, was bedeute, dass sich Frankreich nicht an die Vogelschutzrichtlinie halten müsse.[12]‘Hunting With Glue Set to Continue in France’ (BirdGuides, 20. November 2020) www.birdguides.com/news/hunting-with-glue-set-to-continue-in-france/; letzter Zugriff: 24. Mai 2021. Doch der EuGH sah „Tradition“ als irrelevante Begründung verglichen mit den Problemen, die die kulturelle Praxis verursacht, etwa den Beifang und auch den Schaden, der allen versehentlich gefangenen Vögel zugefügt wird. Es betonte, dass Tradition allein nicht den Mangel an einer anderen „zufriedenstellenden Lösung“ (wie in Artikel 9(1) aufgeführt) begründen kann. Im Falle einer nachweislichen Verletzung der Intentionen der Vogelschutzrichtlinie sei „Tradition“ allein nicht ausreichend für die Annahme einer „vernünftigen Nutzung“ und könne die rechtliche Verantwortung eines Mitgliedstaates so nicht reduzieren.[13]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 1, 17 March 2021) … Weiterlesen Die Entscheidung wird für alle Mitgliedstaaten der EU – einschließlich derer, die noch immer Klebefallen nutzen, z.B. Italien und Malta – rechtsverbindlich sein.[14]‘Ende des Leimruten-Fangs von Singvögeln in Sicht’ (NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V., 14 April 2021) www.nabu.de/news/2021/04/29773.html; letzter Zugriff: 24. Mai 2021. Der EuGH erklärte bezüglich seiner Entscheidung:
„Ein Mitgliedstaat darf keine Methode zum Vogelfang genehmigen, die zu Beifang führt, wo dieser Beifang der betroffenen Spezies aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Weise Schaden zufügt, die über einen geringfügigen Schaden hinausgeht. Die Tatsache, dass eine Vogelfangmethode, wie die Jagd mit Leimruten, Tradition hat, ist an sich nicht ausreichend, um zu begründen, dass an ihrer Stelle keine andere zufriedenstellende Lösung genutzt werden könne.“[15]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 1, 17. März 2021) … Weiterlesen
Wie geht es weiter?
Das Urteil war ein großer Erfolg für den Artenschutz, Tierrechte und viele Menschen, die sich gegen die grausame Praxis stellen. Doch leider hat es auch einige Haken. So wurde beispielsweise nicht das Interesse der Vögel an ihrer Unversehrtheit anerkannt, was erklärt, warum die Jagd in der gesamten EU noch immer legal ist und warum Klebefallen für andere Tiere, z.B. Ratten und Mäuse, erlaubt bleibt, obwohl diese doch nicht anders als Vögel Schmerz empfinden. Die Jagdindustrie erwirtschaftete im Jahr 2016 ganze 16 Milliarden Euro.[16]‘Hunting in Europe Is Worth 16 Billion Euros’ (FACE, 29. September 2016) www.face.eu/2016/09/hunting-in-europe-is-worth-16-billion-euros/: letzter Zugriff: 24. Mai 2021. Ratten und Mäuse zu fangen, verursacht Tierleid und generiert keinen Profit. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass wirtschaftliche Faktoren bei der Entscheidung durchaus eine Rolle spielten.
Darüber hinaus bestätigt das Urteil, dass Arten- und Naturschutz häufig wesentlich stärker Berücksichtigung finden als die Tiere selbst. Es lässt sich dementsprechend argumentieren, dass dies einen anthropozentrischen Blick auf die Situation darstellt; denn wenn der Mensch überleben will, muss es der Natur gutgehen und bestimmte Spezies müssen in ihrem Bestand stabil bleiben. Die Motivation hinter dem Urteil verlagert die Aufmerksamkeit und Brisanz weg von dem, was wirklich zählt: die Interessen ausgebeuteter Tiere.
Wenn es einen wahren Wandel hinsichtlich Tierrechten und Tierwohl geben soll, müssen der intrinsische Wert von Tieren, ihre Interessen und ihre Grundrechte anerkannt werden. Bis dahin werden solche stufenweisen rechtlichen Anpassungen nur einen begrenzten Effekt haben. Wir können darauf hoffen, dass schon bald ein revolutionäres Urteil gefällt wird – doch wir müssen uns auch unserer persönlichen Verantwortung bewusst sein. Die Menschen in der EU können dafür sorgen, dass sich das Blatt wendet, indem sie Industrien finanzieren, die keine Tiere ausbeuten, und andere über diese Themen aufklären.
Original text
Without exceptions: ECJ Declares Glue-Trapping Illegal
Hunting is a cruel activity that’s practiced worldwide. Animals such as deer and wild boar are hunted. But also singing birds.. Hunters use various methods of capturing the animals, and a method which has been used in France historically is “birdliming” (glue-trapping). The European Court of Justice (ECJ) recently ruled against the use of this method. This article will explore what glue-trapping is, the effects on birds, the legality of the practice, and the ECJ ruling.
What Is Glue-Trapping?
Glue-trapping is a method traditionally used by hunters to capture birds involving a sticky substance known as birdlime. It’s spread on tree branches where birds gather so that they are forced to come in contact with the substance and become stuck. Birdliming has historically been used in many countries. However, France has been in the spotlight recently because of the high numbers of birds subjected to this practice and because it’s one of the only countries left in the EU that has continued to do this.[17]Ella Glover, ‘French Practice of Glue Traps for Songbirds Ruled Illegal’ (The Independent, 17 March 2021) … Weiterlesen
In 2019, French hunters were allowed by the French authorities to trap 42,500 birds using this method, which is actually half the number allowed the year before.[18]Kim Willsher, ‘ECJ Orders France to Ban Glue-Trap Hunting of Songbirds Outright’ (The Guardian, 17 March 2021) … Weiterlesen This is overwhelming considering that birdliming and other methods of mass and non-selective bird capturing have been illegal in the EU – and therefore also in France – since 2009.[19]Council Directive 2009/147/EC on the conservation of wild birds, para 8 in conjunction with annex IV
Effects of Glue-Trapping
Birdliming causes mass suffering to the birds who come in contact with the sticky substance. They become painfully tangled and covered with it. Sometimes, it even covers their beaks and the rest of their faces – and some evidence suggests they’re left to struggle painfully for up to 30 minutes.(Kim Willsher, ‘Slaughter of the Songbirds: The Fight Against France’s “Barbaric” Glue Traps‘ (The Guardian, 30 November 2019) <www.theguardian.com/environment/2019/nov/30/slaughter-of-the-songbirds-the-fight-against-frances-barbaric-glue-traps-aoe> accessed 24 May 2021Kim Willsher, ‘Slaughter of the Songbirds: The Fight Against France’s “Barbaric” Glue Traps‘ (The Guardian, 30 November 2019) <www.theguardian.com/environment/2019/nov/30/slaughter-of-the-songbirds-the-fight-against-frances-barbaric-glue-traps-aoe> accessed 24 May 2021)) The more they struggle to get away, the worse it becomes.[20]Ibid When tree branches are laced with this substance, they’re often referred to as a “death trap”.[21]Ibid
In addition to the suffering caused to birds because of the glue, in order for hunters to remove them, they’re sprayed with toxic materials such as petrol or acetone.[22]Ibid However, this is often insufficient, so the hunters yank the birds off the branches, causing patches of their feathers to be torn out and remain on the branch.[23]Alison Hird, ‚Is The Contested French Tradition of Glue-Hunting Songbirds Coming to an End?‘ (rfi, 29 August 2020) … Weiterlesen These reasons are why there has been mass uproar regarding France’s continued use of this method of catching birds.
The Legal Aspect and ECJ Judgement
On 17 March 2021, the ECJ passed the judgement that the exemptions allowed by Article 9 of the Birds Directive must not be interpreted as including tradition alone.[24]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 1, 17 March 2021) … Weiterlesen Article 9(1) and (2) lay out the strict rules for derogation, which do not mention tradition. However, France interpreted Article 9(1) as grounds for derogation, saying that tradition is irreplaceable and, therefore, there is “no other satisfactory solution” – and attempted to justify its stance by claiming that birds who were caught accidentally would be released.[25]Elian Peltier, ‘France Prohibits a Bird Hunting Technique, 41 Years After an E.U. Ban’ (The New York Times, 28 August 2020) … Weiterlesen In addressing this, the ECJ also highlighted that the accidentally caught birds “sustain irreparable harm” as a result of coming into contact with the sticky substance. This rendered birdliming a non-selective method and thus illegal.[26]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 2, 17 March 2021) … Weiterlesen
This ruling was a relief and a surprise, because in November 2020, a magistrate had ruled that cultural grounds of a country were sufficient, in creating an exception allowing France not to abide by the Birds Directive.[27]‘Hunting With Glue Set to Continue in France’ (BirdGuides, 20 November 2020) <www.birdguides.com/news/hunting-with-glue-set-to-continue-in-france/> accessed 24 May 2021 Nevertheless, the ECJ regarded “tradition” as an irrelevant reason compared to the problems caused by this cultural practice – such as by-catch and harm to birds accidentally caught. It found that tradition alone cannot establish the lack of another “satisfactory solution” as mentioned in Article 9(1). In the case of an evident violation of the intentions of the Birds Directive, “tradition” alone could not be sufficient for the assumption of a “judicious use” to reduce the legal responsibility of a member state.[28]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 1, 17 March 2021) … Weiterlesen This ruling will be legally binding for all EU member states, including countries which still use glue traps, such as Italy and Malta.[29]‘Ende des Leimruten-Fangs von Singvögeln in Sicht’ (NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V., 14 April 2021) <www.nabu.de/news/2021/04/29773.html> accessed 24 May 2021 The ECJ gave two statements heading its judgement, which read as follows:
“A Member State may not authorise a method of capture of birds leading to by-catch where that by-catch is likely to cause harm other than negligible harm to the species concerned. The fact that a method of capture of birds, such as the method of hunting using limes, is traditional is not, in itself, sufficient to establish that another satisfactory solution cannot be used instead.”[30]Court of Justice of the European Union, ‘Press Release No 40/21’ (Judgment in Case C-900/1, 1, 17 March 2021) … Weiterlesen
What Next?
This judgement was a great success for conservationists, animal rights supporters, and others opposed to the practice. However, it has some flaws. For example, there was no recognition of birds’ interest in not being subjected to harm. This explains why hunting remains legal everywhere in the EU and why the practice of glue-trapping is permitted for other animals such as rats and mice, who feel pain no less than birds do. Moreover, the hunting industry generated €16 billion in 2016.[31]‘Hunting in Europe Is Worth 16 Billion Euros’ (FACE, 29 September 2016) <www.face.eu/2016/09/hunting-in-europe-is-worth-16-billion-euros/> accessed 24 May 2021 Catching rats and mice causes them to suffer and generates no income. Therefore, it can be assumed that economic factors played a role in this decision.
However, more importantly, this judgement confirms that disproportionate consideration is often given to species and nature conservation rather than to animals themselves. We can argue that this is an anthropocentric view, as, for humans to survive, nature must thrive and certain species must remain stable. The motivation behind the judgement completely shifts the attention and importance away from what truly matters – the interests of exploited animals.
For true change to be achieved regarding animal rights and well-being, animals’ intrinsic value, interests, and basic rights need to be recognised. Until then, these incremental legal steps will be of limited effect. We can hope a revolutionary judgement is around the corner, but we must also be aware of personal responsibility. By funding industries that refrain from animal exploitation and spreading awareness of these matters, the people of the EU can turn the tide.
war im Frühjahr 2021 Rechtspraktikantin bei PETA Deutschland e.V. und studiert Rechtswissenschaft in Manchester.
Quellen