Symbolbild

Tierschutzwidrigkeit von Schliefenanlagen

Wer „Schliefenanlage“ sagt, muss auch „Tierquälerei“ sagen. Menschen, die mit dem wenig aussagekräftigen Begriff „Schliefenanlage“ umzugehen wissen, sind regelmäßig entweder Jäger:innen oder leidenschaftliche Tierschützer:innen. Erstere sehen in dem Betrieb von Schliefenanlagen eine Vorbereitung auf die Fuchsjagd. Für Tierschützer:innen und die in solchen Einrichtungen missbrauchten Füchse sind es Orte des Leidens. Und was hält das Tierschutzgesetz davon?

Fuchsjagd als Ausgangspunkt von Schliefenanlagen

Der Fuchs gehört in Deutschland bis heute zu den Tierarten, welche dem Jagdrecht unterliegen. Damit darf der Fuchs außerhalb von Schonzeiten bejagt werden. Während die Fuchsjagd früher insbesondere der Fellgewinnung diente oder auch als gesellschaftliches Ereignis zelebriert wurde, wird sie heute in erster Linie mit der vermeintlichen Bewahrung des ökologischen Gleichgewichts begründet. So behaupten Befürwortende der Fuchsjagd insbesondere, dass diese zum Schutz des Niederwildes, zu dem unter anderem der Feldhase zählt, sowie der Bodenbrüter, also Vogelarten, die ihre Nester am Erdboden anlegen, erforderlich sei.

Da die Gefährdung dieser Tierarten allerdings nicht der Aktivität des Fuchses, sondern vielmehr einer Intensivierung der Landwirtschaft, der Verringerung der Kulturpflanzenvielfalt, einer Monotonisierung der Landschaft und dem anhaltenden Flächenverbrauch geschuldet ist, vermögen die vermeintlich ökologischen Gründe jedoch nicht zu überzeugen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Fuchsjagd äußerst fragwürdig und mit den Vorschriften des Tierschutzgesetzes, welches die Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund unter Strafe stellt, nicht vereinbar.

Hundeausbildung in Schliefenanlagen

Die Fragwürdigkeit der Fuchsjagd folgt jedoch nicht nur aus ihrer mangelnden ökologischen Notwendigkeit. Auch beim Blick hinter die Kulissen offenbaren sich Zustände, welche mit dem deutschen Tierschutzrecht kaum in Einklang zu bringen sind. Besonders deutlich zeigt sich dies an der nach wie vor geübten Praxis, sogenannte Jagdhunde an lebenden Füchsen in Schliefenanlagen „auszubilden“.

Schliefenanlagen sind künstlich angelegte Fuchsbaue, die genutzt werden, um Hunde für die Baujagd abzurichten, bei welcher ein sogenannter Erd- oder Bauhund die Aufgabe hat, den Fuchs aus seinem Bau zu treiben.[1]https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/2018/02/07/baujagd Die Schliefenanlagen sind natürlichen Fuchsbauen nachempfunden und bestehen aus einem Netz von künstlichen Gängen, einschließlich von Hindernissen wie Sackgassen, Steigrohren und Sandbänken.[2]Julia Numßen: Handbuch Jägersprache. Gräfe Und Unzer, München 2017. Zum Zwecke der Hundeausbildung wird ein lebendiger Fuchs durch dieses unterirdische Tunnelsystem geschickt und an dessen Ende in einem Kessel festgehalten, dessen Zugang mit einem Schieber versperrt wird. Sodann wird der auszubildende Jagdhund freigelassen. Dieser muss nun in dem Gangsystem die Fährte des Fuchses aufnehmen und diesen auffinden.

Schliefenanlagen als Verstoß gegen
§ 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz

Dass diese Form der Hundeausbildung für den hierfür missbrauchten Fuchs eine Belastung darstellt, lässt sich auf den ersten Blick erkennen, begründet für sich allein aber noch nicht deren Tierschutzwidrigkeit. Da der Einsatz von Füchsen in Schliefenanlagen für diese Tiere jedoch mit länger anhaltenden erheblichen Leiden verbunden ist, stellt die beschriebene Praxis nach hier vertretener Ansicht ein strafbares Verhalten im Sinne des § 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz (TierSchG) dar. Denn gemäß § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.

Während als Schmerz im Sinne des § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG jede unangenehme Sinneswahrnehmung zu verstehen ist, welche durch tatsächliche oder potenzielle Substanzverletzungen verursacht wird, werden als „Leiden“ alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten Beeinträchtigungen im Wohlbefinden bezeichnet, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern.[3]Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz Kommentar, 3. A. 2016, § 1 TierSchG, Rn. 19, unter Bezugnahme auf: BGH, Urt. v. 18.02.1987, 2 StR 159/86 = NJW 1987, 1833, 1834; BVerwG, Urt. v. 18.01.2000, 3 C … Weiterlesen Insbesondere benötigt es hierfür keine körperliche Beeinträchtigung.[4]Hirt/Maisack/Moritz, aaO; VGH Mannheim NuR 1994, 487, 488; Lorz/Metzger, Kommentar zum TierSchG, § 1 Rn. 34.

Beispiel

Inwieweit der Einsatz des Fuchses in einer Schliefenanlage für diesen mit erheblichen und länger anhaltenden Leiden verbunden ist, soll exemplarisch anhand von Videoaufzeichnungen, welche die Vorgänge in der Schliefenanlage in Lemgo-Voßheide im Sommer 2019 dokumentieren, gezeigt werden. Dort wurden zwei circa vier Jahre alte Fuchsfähen gehalten.  Bei der Auswertung des Filmmaterials zeigte sich folgendes Bild:[5]vgl. Thorsten Emberger, Kommentar vom 19.11.2019 zu Videos aus Schliefenanlage Lemgo-Voßheide, sowie: Dr. Claudia Stomme, Gutachterliche Stellungnahme der Forschungsstelle für Jagdkunde und … Weiterlesen

Schon zu Beginn der Aufnahme ist zu erkennen, dass man Gewalt anwendet, damit sich der eingesetzten Fuchs für den Schliefenanlagenbetrieb in den Kessel begibt. Mithilfe eines Stockes mit einem schwarzen, runden Aufsatz bedrängt und stößt man ihn in der Röhre der Schliefenanlage, um ihn entlang der Gänge Richtung Kessel zu treiben. Während seines Aufenthalts im Holzkessel zeigt das Tier klare Anzeichen von Furcht und Stress. Der Fuchs sucht nach Fluchtmöglichkeiten, zieht sich ins hintere Eck der Holzkiste zurück, hat weit geöffnete Augen, erschrickt mehrmals deutlich, ist insgesamt sehr aufmerksam, angespannt und aufgeregt.

Es sind zahlreiche und länger anhaltende Sequenzen zu sehen, in denen der Fuchs sehr unruhig wirkt, mehrmals heftig zusammenzuckt, sich in die Ecke drückt, sich umschaut und sogar Verteidigungs- oder Abwehrgesten (Anlegen der Ohren, Öffnen des Mundes, Schwanz einziehen, Hinterbeine anziehen) in Richtung des hinteren Schiebers zeigt. Nach Beendigung der Übung verlässt der Fuchs die Schliefenanlage fluchtartig und versteckt sich anschließend im hinteren Bereich des Geheges hinter den Einrichtungsgegenständen.

Auswertung der Videoaufzeichnung

Das dargestellte Verhalten des Fuchses kann nur als Indiz für die Erheblichkeit des von dem Tier erlittenen Leidens gewertet werden.  Bereits das Treiben des Fuchses durch die Gänge in den Kessel mithilfe eines Stockes löst bei ihm Stress aus. Die dem Fuchs zugefügte Todesangst und das im Kessel unterdrückte Fluchtbedürfnis stellen jeweils unabhängig voneinander Tatbestandsmerkmale dar, die auf erhebliches Leiden schließen lassen.[6]Prof. Hackbarth, Kreis Lippe, Gutachten über Schliefenanlafen vom 10.12.2019.

Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass es in der Schliefenanlage einen Trennschieber gibt, welcher den Hund an einem körperlichen Kontakt zum Fuchs hindert.  Da das Tier hiervon keine Vorstellung hat, verringert das Vorhandensein des Trennschiebers auch nicht seine Angst.[7]Vgl. Patt/Felde, Stellungnahme vom 15.12.2019, S. 8 in ANLAGE 1.

Hinzu kommt das zeitliche Ausmaß, währenddessen die beschriebenen Symptome auftreten. Dabei ist zu beachten, dass zur Beurteilung des Umfangs des Leides nicht das Zeitempfinden des Menschen zu Grunde zu legen ist, sondern das wesentliche geringere Vermögen des Tieres, physischen und psychischen Druck standzuhalten.[8]OLG Hamm NStZ 1985, 275. Wenige Minuten können daher schon ausreichen, um erhebliches Leiden festzustellen.[9]Vgl. Hackbarth/Lückert, Tierschutzrecht – praxisorientierter Leitfaden, München, Berlin 2000 B XIV 2.4. Das Aussetzen in der Schliefenanlage lässt sich daher auch nicht als Bagatellfall qualifizieren, da die bei dem Fuchs hervorgerufenen gravierenden Angstzustände keinesfalls als nur geringfügige Beeinträchtigung des Wohlbefindens eingeordnet werden können.[10]Vgl. Patt/Felde, Stellungnahme vom 15.12.2019, S. 8 in ANLAGE 1.

Fazit

Fasst man die aus der Videoaufzeichnung gewonnenen Erkenntnisse zusammen, wird zweifellos deutlich, dass der Einsatz von Füchsen in Schliefenanlagen für diese mit erheblichen Leiden verbunden ist und einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt. Doch auch wenn man das Leiden der Füchse entgegen der Einschätzung fachkundiger Personen nicht als erheblich einstuft, wäre der Betrieb von Schliefenanlagen nicht gerechtfertigt. Denn der Zweck solcher Schliefenanlagen ließe sich bereits durch eine künstliche gelegte Duftspur erreichen, da der zu trainierende Hund offensichtlich lediglich vom Geruch des Fuchses, den Animationsversuchen sowie von den Anweisungen bzw. dem Lob der anwesenden Personen beeinflusst wird. Diese tierschonendere Form der Hundeausbildung erweist sich somit als mildere und gleichermaßen wirksame Maßnahme. Sie wäre daher zur Verwirklichung eines effektiven Tierschutzes dem Einsatz eines lebenden Fuchses vorzuziehen.

Aber selbst diese mildere Form wäre nicht notwendig: Denn wie bereits dargestellt, ist die Fuchsjagd mangels ökologischer Notwendigkeit im Allgemeinen nicht zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr für die Baujagd, da diese sowohl für den Fuchs als auch für den eingesetzten Hund mit besonderen Belastungen und Gefahren verbunden ist. Folglich kann es auch keine Rechtfertigung für die Hundeausbildung zum Zwecke der Fuchsjagd geben.

Schlussendlich lässt sich aus dem Beispiel Lemgo-Voßheide daher nur eine Forderung ableiten, nämlich die Schließung sämtlicher noch existierender Schliefenanlagen.

Beiträge

der Tierschutzorganisation PETA Deutschland e.V.

Quellen[+]