Die tierliche Person – Neuer Rechtsstatus für Tiere? (Teil 2)

Subjektstatus für Tiere: Im vorangegangenen Beitrag zur „tierlichen Person“ wurde beleuchtet, dass Tiere sich rechtlich in einem Status zwischen der Einordnung als „Objekt“ und/oder „Subjekt“ bewegen und welche tierlichen Rechtsgüter durch die Gesetze bereitgehalten werden.

Aufgrund dieser Ansatzpunkte für Tierrechte im geltenden Recht wird in diesem zweiten Teil die Frage beleuchtet, ob Tiere auch rechtspositivistisch einen Subjektstatus erlangen sollten und könnten.[1]Auf Fußnoten und Nachweise wird für dieses Blog-Format weitestgehend verzichtet. Zu Nachweisen und weiteren Details verweise ich auf meine Dissertationsschrift: Raspé, Die tierliche Person – … Weiterlesen

I. Die tierliche Person

Ein solcher Subjektstatus könnte in Form einer dritten Rechtspersönlichkeit, zum Beispiel einer tierlichen Person, geschaffen werden, um die bestehende Zwitterstellung des Tiers im Recht zu beenden. Wenn man diese Rechtsänderung begrüßt, muss entschieden werden, wer tierliche Person sein kann und welche Rechte diese innehaben soll. Bezüglich der Frage, welche Tiere tierliche Personen sein können, kommen mehrere Abgrenzungen infrage. Zum einen könnten alle Tiere den Personenstatus erlangen, zum anderen kann nach Lebensräumen (Heimtiere ja, Wildtiere nein) oder Eigenschaften differenziert werden. Bei den Eigenschaften kann man Intelligenz, Selbstwahrnehmung, Sprache etc. in Erwägung ziehen oder bei der Leidensfähigkeit der Tiere ansetzen.

Gerade die Verursachung von Schmerzen und Leiden ist ein Hauptproblem bei der Mensch-Tier-Interaktion. Persönlich halte ich daher die Leidensfähigkeit für ein geeignetes Anknüpfungskriterium für die tierliche Person, so dass die Aufnahme zunächst aller Wirbeltiere, für welche eine Leidensfähigkeit anerkannt ist, denkbar und rechtssicher definierbar wäre. Neue Erkenntnisse der Biologie oder Verhaltenskunde müssten allerdings diese neugezogene Grenze immer wieder aufs Neue hinterfragen und gegebenenfalls erneut verschieben.

II. Welche Rechte sollte eine tierliche Person innehaben?

Bei der Frage, welche Rechte man einer tierlichen Person zuerkennen sollte, lohnt sich ein Verweis auf Teil 1 dieser Beitragsreihe, auf die Erläuterung der tierlichen Rechtsgüter. Es sollte insbesondere ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Bewegungsfreiheit und auf ein „tierliches Existenzminimum“ explizit geschaffen werden. Ein Recht auf Leben sollte ebenfalls festgeschrieben werden, wobei zu beachten ist, dass dieses und die anderen genannten nicht absolut sein müssen, sondern wie auch alle menschlichen Rechtsgüter einer Güterabwägung offen stünden. Dies bedeutet, dass menschliche Interessen Tierrechte in Konfliktsituationen überwiegen könnten; sie müssten jedoch schwerwiegend genug sein, um dies in vergleichbaren Fällen auch bei Menschen in gleicher Situation und Empfindung zu tun. Dies würde jedenfalls bei konsequenter Anwendung den ganz überwiegenden Teil der heutigen Nutzung von Tieren durch den Menschen für seine Interessen infrage stellen.

1. Rechtsdurchsetzung

Alle Rechte sind nur wenig wert, wenn sie nicht auch durchgesetzt und somit gewahrt werden. Gerade im bestehenden Vollzugsdefizit liegt in der Praxis ein wesentliches Problem des geltenden Tierschutzrechts. Mangels der Existenz von Tierrechten besteht eine „Waffenungleichheit“, die dazu führt, dass Tierhaltende als Rechtsinhabende meist unter Berufung auf ihre Berufs- oder Eigentumsfreiheit vor Gerichten und Behörden auf ein „Weniger“ an Tierschutz hinwirken können, dass aber niemand für die Tiere auf ein „Mehr“ an Tierschutz klagen kann. Dies führt zwangsläufig zu einer einseitigen Rechtsdurchsetzung, die im Regelfall darauf zielt, Tierschutzstandards zu reduzieren oder abzubauen.

Rechte von Tieren müssten daher im Falle der Einführung von Tierrechten effektiv durch Klagerechte eingeklagt und gerichtlich verteidigt werden können. Dafür kann an der Konstruktion der Verbandsklage Anleihe genommen werden. Genau genommen müsste für tierliche Personen aber eine Prozessstandschaft oder ein Vertretungsmodell gewählt werden, da die Verbandsklage gerade ein Konstrukt bei fehlenden subjektiven Rechten darstellt. Die gerichtliche Durchsetzung sollte durch anerkannte Tierschutzvereine in möglicher Kombination mit Tierschutzanwält:innen – wie bereits in der Schweiz eingerichtet – oder Tierschutzbeauftragten bzw. Tierschutzkommissionen mit den notwendigen Parteirechten unterstützt werden.

2. Konkrete Rechtsänderungen – de lege ferenda

Die tierliche Rechtspersönlichkeit könnte im Gesetz aufgrund der bereits angelegten Rechtsgüter von Tieren und dem Türöffner des Art. 20a GG eingeführt werden.

Überlegenswert ist außerdem, ob man den Art. 19 III GG hinsichtlich der wesensgleichen Anwendbarkeit der menschlichen Grundrechte auf juristische Personen auch auf Tiere erweitert.

Dieser kurze Beitrag soll und kann die Möglichkeiten und Ideen einer Rechtspersönlichkeit für Tiere lediglich schemenhaft anreißen, um damit für die anstehende und fortlaufende Diskussion zu Tierrechten weiteren und hoffentlich fruchtbaren Input zu liefern.

Verdeutlicht werden konnte hoffentlich, dass die Zeit gekommen ist, den Sprung über den großen Graben der Dichotomie im Recht für das Tier zu wagen!

 

 

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studierte von 2004 bis 2008 in Hamburg an der Bucerius Law School und in Rom an der LuissGuido CarliRechtswissenschaften. Sie promovierte zum Thema „Die tierliche Person –Vorschlag einer auf der Analyse der Tier-Mensch-Beziehung in Gesellschaft, Ethik und Recht basierenden Neupositionierung des Tieres im deutschen Rechtssystem“.Seit 2013 ist sie als Anwältin für ÖffentlichesWirtschaftsrecht und Compliance in Berlin und München tätig und nimmt unter anderem durch Veröffentlichungen und Vorträge weiter am wissenschaftlichen Diskurs zum Thema „Tierrechte“ teil.

Quellen[+]