Tierische Mitbewohner im Arbeitsrecht – wenn Arbeitnehmende zwischen den Stühlen sitzen

Menschen, die mit tierischen Mitbewohnern zusammenleben und einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit außer Haus nachgehen, kennen vermutlich mindestens einen der folgenden Gedanken:

  • Mein tierischer Mitbewohner hat starke Trennungsängste oder ist, wenn ich bei der Arbeit bin, nicht ausreichend betreut – welche Möglichkeiten gibt es?
  • Was mache ich bloß, wenn mein tierischer Mitbewohner einen medizinischen Notfall hat und umsorgt werden muss?

In all diesen Situationen stoßen die teilweise unterschiedlichen Interessen von Tieren, Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen aufeinander. Welche rechtlichen Lösungen und Alternativen es geben kann, zeigen wir in diesem Beitrag auf.

Bürotiere – erlaubt?

Sie denken, Ihr tierischer Mitbewohner hätte eine gute Zeit mit Ihnen zusammen im Büro, oder vielleicht leidet das Tier sogar unter starken Trennungsängsten und kann nicht allein in Ihrer Wohnung bleiben?

Einen Anspruch darauf, ein Tier mit ins Büro zu bringen, kennt das Gesetz lediglich für den Ausnahmefall, dass Menschen aus gesundheitlichen Gründen auf ihren tierischen Mitbewohner angewiesen sind. Hier ergibt sich für die Arbeitnehmer:innen ein Anspruch aus § 106 S. 3 Gewerbeordnung (GewO), § 164 IV Nr.4, 5 9. Sozialgesetzbuch (SGB) IX sowie aus §§ 618, 241 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 3, 16 II Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).[1]Stück: Haarige Kollegen – Hunde und Haustiere im Betrieb und im Arbeitsrecht, ArbRAktuell 2022, 639. Greift eine solche Ausnahmeregelung nicht, kann man sich daher nur auf Regelungen im Arbeitsvertrag, kollektive Regelung (z.B. eine Betriebsvereinbarung) oder aber eine ausdrückliche Erlaubnis stützen.

Eingeschränkte Gleichbehandlung: Jedes Tier ist anders

Und auch wenn Ihr:e Arbeitgeber:in die Anwesenheit der tierischen Mitbewohner anderer Mitarbeitender duldet, können Sie hieraus in der Regel keine Ansprüche geltend machen. Zwar gebietet der im Arbeitsrecht sehr gewichtige Gleichbehandlungsgrundsatz, dass gleiche Sachverhalte grundsätzlich gleich zu behandeln sind und eine Ungleichbehandlung nur aufgrund sachlicher Kriterien rechtmäßig ist. Für den Gleichbehandlungsgrundsatz kommt es jedoch immer auf den Bezugspunkt an – und dieser muss nicht die Eigenschaft „Hund“ sein, sondern kann auch an dem Hund als Individuum mit seinen persönlichen Charakterzügen liegen.[2]Stück: Haarige Kollegen – Hunde und Haustiere im Betrieb und im Arbeitsrecht, ArbRAktuell 2022, 639. Ferner kann für eine rechtmäßige Ungleichbehandlung bereits ausreichen, dass andere Kolleg:innen vor dem einen tierischen Mitbewohner Angst haben und vor einem anderen nicht. Denn die subjektiven Empfindungen anderer Mitarbeitender reichen als sachliches Kriterium für eine erfolgte Ungleichbehandlung in der Regel aus.[3]LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2014, BeckRS 2014, 67430.

Fürsorgepflicht und Direktionsrecht

Im Übrigen können Arbeitgeber:innen die Ablehnung einer Anfrage auf gleich mehrere rechtliche Grundlagen stützen. Zum einen haben sie gegenüber Arbeitnehmer:innen eine Fürsorgepflicht, die sich unter anderem aus § 618 BGB ergibt. Hierbei müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse sämtlicher Mitarbeitender in Einklang gebracht werden – und diese umfassen natürlich auch die Angst vor Hunden, Allergien und weitere Gründe, die gegen die Mitnahme tierischer Mitbewohner sprechen.

Zum anderen gewährt § 106 GewO Arbeitgeber:innen ein umfassendes Direktionsrecht. Dies gilt, wie in S. 3 der Regelung genannt, auch für die Ordnung im Betrieb. Arbeitgeber:innen können demnach selbständig beurteilen und sodann nach billigem Ermessen entscheiden, ob Tiere im Büro betriebliche Prozesse negativ beeinflussen. Zu guter Letzt kommt Arbeitgeber:innen in der Regel das auf Art. 13 Abs. 1 GG gestützte Hausrecht zu – auch hierauf kann die Entscheidung, dass ein Tier darf nicht mit ins Büro genommen werden darf, daher gestützt werden.

Erkranktes Tier – was tun?

Erkrankt man selbst, sind die eigenen Kinder oder andere nahe Angehörige erkrankt, gibt es klare gesetzliche Regelungen, wie mit dieser Situation umgegangen werden muss. So regelt § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) zum Beispiel, dass Arbeitgeber:innen verpflichtet sind, den Lohn für erkrankte Arbeitnehmer:innen weiterzuzahlen. Die Voraussetzungen für die Lohnfortzahlung in diesem Fall regelt § 5 Abs. 1 EntgFG. Dies basiert auf dem Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Grundgesetz  – Arbeitnehmer:innen sollen die Möglichkeit erhalten, zu genesen, ohne sich finanzielle Sorgen machen zu müssen.

Erkrankt das eigene Kind oder ein anderer naher Angehöriger – zum Beispiel Lebenspartner:innen, Geschwister oder Eltern –, führt dies ebenfalls zu dem Ergebnis, dass man sich um diese Person kümmern kann, ohne um seinen Lohn fürchten zu müssen. In diesem Fall ergibt sich der Anspruch auf Lohnfortzahlung aus § 616 BGB. Danach behalten Arbeitnehmende ihren Anspruch auf Lohnzahlung, wenn sie ohne eigenes Verschulden für eine unerhebliche Zeit nicht zur Arbeit kommen können. Der Gesetzgeber spricht von einer „vorübergehenden Verhinderung“, die in der Person des Arbeitnehmenden liegen muss. Hierunter fasst die Rechtsprechung auch die Krankheit und damit verbundene Pflege des eigenen Kindes oder naher Angehöriger. In der Literatur wird daher auch eher von einem persönlichen Grund anstatt von einem Grund, der in der Person der Arbeitnehmenden liegt, gesprochen.[4]BeckOK BGB/Baumgärtner, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 616 Rn. 1. Die Norm ist damit Ausfluss sozialpolitischer Erwägungen sowie der Fürsorgepflicht von Arbeitgebenden.[5]Vgl. HK-BGB/Christoph Schreiber, 11. Aufl. 2021, BGB § 616 Rn. 1; BeckOK BGB/Baumgärtner, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 616 Rn. 1.

Und Lohnfortzahlung beim erkrankten Hund?

Für eine Lohnfortzahlung im Falle der Erkrankung und der damit verbundenen Pflege eines tierischen Mitbewohners gibt es bisher jedoch keine gesetzlichen Spezialvorschriften. Und auch wenn die Literatur und die Rechtsprechung viele Fallgruppen des § 616 BGB kennt,[6]Vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 67. Ed. 1.3.2023, BGB § 616 Rn. 21. fällt die Erkrankung und notwendige Pflege tierischer Mitbewohner in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des § 616 BGB. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer:innen grundsätzlich keinen Anspruch darauf haben, für die Pflege erkrankter tierischer Mitbewohner bezahlt freigestellt zu werden.

Eine Ausnahme und damit ein Anspruch auf Lohnfortzahlung soll nach der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Nürnberg lediglich für den Fall bestehen, dass eine Versorgung des tierischen Mitbewohners durch keine andere Person möglich ist und diese zwingend in der Arbeitszeit erfolgen muss.[7]LAG Nürnberg Urt. v. 21.7.2016 – 5 Sa 59/16, BeckRS 2016, 116129. In einem solchen Fall wird eine Interessenabwägung zwischen den Tierbelangen und den Arbeitgeber:innen-Interessen vorgenommen, die durchaus zulasten der Arbeitnehmer:innen ausfallen kann. Arbeitnehmer:innen können sich bei erkrankten tierischen Mitbewohnern daher nicht sicher sein, ob der/die jeweilige Arbeitgeber:in oder –  im Falle eines Rechtsstreits – die Gerichte den eigenen Ansichten folgen.

Rechtliches Ungleichgewicht aufgrund der Spezies 

Es ist ein Dilemma, in dem sich Arbeitnehmende befinden: Es liegt eine vergleichbare Situation vor. Auf der einen Seite die Sorge und die Notwendigkeit des Kümmerns um sich selbst oder einen nahestehenden Angehörigen, auf der anderen Seite die Sorge und die Notwendigkeit des Kümmerns um ein nahestehendes Lebewesen, das vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung nicht in die Fallgruppen des § 616 BGB aufgenommen wurde. Dabei sind auch Lebewesen, die keine Menschen sind, im Krankheitsfall auf die Hilfe einer sie pflegenden Person angewiesen.

Dieses sehr deutlich werdende rechtliche Ungleichgewicht zwischen Mensch und Tier ist auf den Speziesismus zurückzuführen. Speziesismus ist eine Diskriminierungsform, die allein aufgrund der Artzugehörigkeit dem einen Leben mehr Wert zuspricht als dem anderen. Dies geschieht sowohl innerhalb verschiedener Tierarten – der Hund, den wir streicheln, das Schwein, das für die Lebensmittelherstellung gequält und getötet wird – als auch zwischen menschlichen und tierischen Lebewesen.

Selbstverständlich kann man nicht in jeder Situation sämtliche Lebewesen gleichsetzen und eine Lösung finden, die für alle gleich gut ist – denn verschiedene Individuen haben individuelle Bedürfnisse. Geht es jedoch um die Pflege und medizinische Versorgung von empfindsamen Wesen, die in dieser Situation auf Hilfe angewiesen sind, sollte keine gesetzliche Auftrennung stattfinden. Dies ist bisher jedoch leider noch Realität.

Was kann ich also tun?

Es zeigt sich deutlich, dass sich Arbeitnehmer:innen grundsätzlich nicht auf eine rechtliche Auflösung der Konfliktsituation verlassen können. In der Regel hilft also nur ein vertrauensvolles Gespräch mit dem/der Chef:in und darauf gründende – im besten Falle schriftliche – Vereinbarungen. Auf dieses Gespräch können Sie sich im Vorhinein vorbereiten, damit Sie Ihre Anfrage auf gute Argumente stützen können. So ist es ratsam, sich bereits vor dem Gespräch über mögliche Kompromisslösungen – wie das Arbeiten im Homeoffice, flexiblere Arbeitszeiten oder unbezahlten Urlaub – Gedanken zu machen. Ferner können auch Nachweise wie ein Wesenstest oder eine erfolgte Begleithundeprüfung hilfreich sein, um ängstliche Kolleg:innen zu beruhigen oder aber die mögliche Sorge der Arbeitgeber:innen zu schmälern, der tierische Mitbewohner würde Unruhe stiften.

Für den Fall, dass Sie Ihren tierischen Mitbewohner dennoch nicht mit ins Büro nehmen dürfen oder sich das Tier im Büroalltag nicht wohlfühlt, haben wir hier ein paar hilfreiche Tipps aufgezählt, die bei der schrittweisen Gewöhnung an eine stundenweise Trennung helfen können. Ferner können Sie noch über Betreuung in Form von Tier-Pensionen oder Tier-Sitter:innen nachdenken sowie für Hunde über Unterstützung durch einen Gassi-Service.

Sollten Sie Ihren tierischen Mitbewohner jedoch mit ins Büro nehmen dürfen, finden Sie hier noch hilfreiche Tipps, um die Bürozeit für Tier und Mensch angenehm und stressfrei zu gestalten.

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arbeitet seit Dezember 2021 als Justiziarin für das PETA-Rechtsteam und befasst sich vorwiegend mit Fragestellung aus dem Bereich des Tierschutz- und Medienrechts.

Quellen[+]