Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie der Tierschutz in Deutschland umgesetzt wird? Es gibt verschiedene Ansätze, die im Tierschutzgesetz (TierSchG) einfachgesetzlich konkretisiert wurden. Einen davon stellt das „Tierhalteverbot“ dar, mit dem Tiere vor Misshandlungen ihrer Halter:innen präventiv geschützt werden sollen.
Was ist ein Tierhalteverbot und warum wird es verhängt?
Wenn eine Person nicht in der Lage ist, mit Tieren verantwortungsvoll umzugehen, sieht das TierSchG die mögliche rechtliche Konsequenz vor, dieser Person das Halten oder Betreuen von sowie den Handel oder sonstigen berufsmäßigen Umgang mit Tieren zu untersagen (zusammenfassend im Folgenden nur als „Tierhalteverbot“ bezeichnet).
Ein solches Verbot soll vor allem verhindern, dass diese Person in der Zukunft erneut Tiere in ihrer Obhut hat und dadurch das Leben, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Tiere gefährdet bzw. verletzt.
Aus welchen Gründen werden Tierhalteverbote verhängt?
- Verstöße gegen den Tierschutz: Wenn eine Person wiederholt oder grob gegen das Tierschutzgesetz verstoßen hat oder die Gefahr besteht, dass solche Verstöße wieder auftreten.
- Gefahr für die Allgemeinheit: Wenn das Halten bestimmter Tiere aufgrund ihrer Art oder Eigenschaften eine besondere Gefahr für Menschen oder andere Tiere darstellen kann.
- Mangelnde Fachkenntnis: Wenn eine Person nicht über das erforderliche Fachwissen verfügt, um Tiere angemessen zu halten und zu versorgen.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Tierhalteverbot verhängt werden?
Im Tierschutzgesetz finden sich drei Normen, aufgrund derer Tierhalteverbote angeordnet werden können: In § 16a TierSchG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen Verwaltungsbehörden ein Tierhalteverbot erlassen dürfen. In den §§ 20, 20a TierSchG sind die Anforderungen für ein (straf-)gerichtliches Halteverbot normiert.
Verwaltungsrechtliches Tierhalteverbot nach § 16a TierSchG
Eine zuständige Behörde, wie z. B. ein Veterinäramt, kann gem. § 16a TierSchG einer Person das Halten von Tieren jeglicher Art untersagen. Dies geschieht bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen gegen u. a.:
- Die allgemeinen Vorgaben zur Tierhaltung des 2 TierSchG;
- Anordnungen, die von der zuständigen Behörde im Einzelfall getroffen werden, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des Tierschutzgesetzes erfüllt werden;
- Rechtsverordnungen S. d. § 2a TierSchG und wenn dadurch den gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder langanhaltende Schmerzen, Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt wurden.
Strafrechtliches Tierhalteverbot
Mit strafrechtlichen Tierhaltungsverboten wird darauf abgezielt, Tierquäler:innen die dazu neigen, Straftaten zu Lasten von Tieren zu wiederholen, vom Umgang mit Tieren fernzuhalten.
Daher kann ein Gericht, das eine Person wegen Tierschutzgesetzverletzungen verurteilt oder nur aufgrund von Schuldunfähigkeit nicht verurteilt, dieser nach § 20 TierSchG das Halten von Tieren für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft untersagen. Dies geschieht, wenn die Gefahr besteht, dass sie erneut gegen Tierschutzvorschriften verstoßen wird. Zuwiderhandlungen gegen ein solches Verbot sind ihrerseits strafbar. Die Anordnung kann nach Ablauf einer bestimmten Zeit von dem Gericht aufgehoben werden, wenn die Gefahr nicht mehr besteht.
Zulässig ist auch das Verhängen eines Tierhalteverbots im Strafbefehlsverfahren, soweit es höchstens drei Jahre gelten soll.
Daneben ermöglicht § 20a TierSchG die Anordnung eines vorläufigen Tierhalteverbots, wenn das (Zwischen-)Ergebnis der Ermittlungen wegen Tierquälerei oder strafbarer Vernachlässigung eine Verurteilung der Person als hochgradig wahrscheinlich annehmen lässt. Das vorläufige Verbot wird erlassen, um die Tiere sofort vor weiterem Leid zu schützen – und nicht erst der Abschluss eines Strafverfahrens abgewartet werden muss.
Das strafrechtliche Verbot kann auch neben dem verwaltungsrechtlichen Verbot i. S. d. § 16a TierSchG verhängt werden.
Wie können Tierhalteverbote gestaltet sein?
Tierhalteverbote – sowohl verwaltungs- als auch strafrechtliche – können allgemein oder beschränkt angeordnet werden:
- Allgemeines Tierhalteverbot: Die betroffene Person darf keine Tiere jeglicher Art halten, züchten oder betreuen.
- Beschränktes Tierhalteverbot: Die Person darf lediglich bestimmte Tierarten nicht halten, züchten oder betreuen (z. B. Hunde oder Reptilien).
Darüber hinaus kann ein Tierhalteverbot entweder dauerhaft oder vorübergehend angeordnet werden, je nach den Umständen des Einzelfalls und dem Schutzbedarf der Tiere.
Was ist in der Praxis beim Verhängen von Tierhalteverboten zu kritisieren?
Bei Verstößen gegen tierschützende Vorschriften ist von den Behörden und Gerichten stets zu berücksichtigen, dass Tiere durch ihren Rechtsstatus besonders benachteiligt und daher schutzbedürftig sind. Sie sind (auch) in der Verantwortung, einen angemessenen Schutz für sie zu gewährleisten.[1]VGH Mannheim Urt. v. 15.12.1992 – 10 S 3230/91, BeckRS 1992, 5471 Rn. 17, beck-online. In der Praxis werden sie dieser Verpflichtung jedoch nur bedingt gerecht.
Herausforderungen bei der Verhängung eines verwaltungsrechtlichen Tierhalteverbots
Die Praxis der Verhängung verwaltungsrechtlicher Tierhalteverbote durch Veterinärämter wirft entscheidende Fragen auf. Bei so gut wie jedem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz erstattet PETA eine Meldung an die zuständigen Veterinärämter mit dem Hinweis auf die Verhängung eines Tierhalteverbots. Dennoch wird in den wenigsten Fällen ein solches ausgesprochen. Es ist oft erschreckend festzustellen, dass selbst nach einer Kontrolle vor Ort keine adäquaten Maßnahmen ergriffen werden.
Doch woran liegt das? Die meisten Veterinärämter sind personell unterbesetzt und überfordert, sodass Zeit und Arbeitskraft möglichst sparsam eingesetzt werden. So kommt es auch vor, dass Kontrollen selten stattfinden und eher kleinere, punktuelle Anordnungen zur Verbesserung von Haltungsbedingungen gemacht werden, (u. a.) da diese in der Regel auf weniger Widerstand stoßen als ein Haltungsverbot – und damit weniger aufwändig sind.
Es besteht somit ein strukturelles Ungleichgewicht der Rechtsschutzmöglichkeiten im Dreieck Tierhalter:innen – Behörde – Tier: Tierhalter:innen sind als natürliche Personen sog. Rechtssubjekte und können gegen behördliche Maßnahmen Rechtsmittel ergreifen. Doch ein Tier hat – auf der anderen Seite – nach jetziger Rechtslage keine subjektiven Rechte und kann eine Behörde daher rechtlich nicht zu einem Einschreiten zwingen. Daher sind sie in der nachteiligen Lage, ihre eigenen Bedürfnisse nicht angemessen verteidigen oder sich gegen Missstände wehren zu können.
Zudem mangelt es an einer Koordination der Fälle. Ohne ein zentrales Register fehlt den Behörden eine einheitliche Datenbank, um Tierhaltungsverbote länderübergreifend zu überwachen und zu verfolgen.
Dies beeinträchtigt die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Behörden sowie die Möglichkeit der Öffentlichkeit, Informationen über verhängte Tierhaltungsverbote zu erhalten und das Ausmaß von Tierschutzverstößen einzuschätzen.
Dass auch jene selten durchgeführten Kontrollen oft folgenlos bleiben, weil vermeintliche keine Verstöße festgestellt werden konnten, liegt auch daran, dass die meisten Kontrollen zuvor angekündigt werden. Dadurch wissen Tierhalter:innen termingenau, wann sie den Schein einer tierschutzgesetzkonformen Tierhaltung vermitteln müssen. Folglich können keine Verstöße mehr wahrgenommen werden und abhelfende Maßnahmen – wie etwa Tierhaltungsverbote – unterbleiben.
Besonders problematisch ist die Anordnung eines Tierhalteverbots, die auf eine bestimmte Tierart beschränkt ist, wenn noch weitere Tierarten gehalten werden. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass jemand, der Schweine quält oder stark vernachlässigt, bei Rindern keinen großen Unterschied in seinem Verhalten zeigen wird.
Herausforderungen bei der Verhängung von strafrechtlichen Tierhalteverboten
Einerseits sehen Gerichte von der Erteilung eines strafrechtlichen Verbots vorschnell ab, sofern ein verwaltungsrechtliches bereits vorliegt.[2]Vgl. Hahn/Hoven, Strafrechtliche Verfolgung von Tierschutzkriminalität in der Landwirtschaft, S. 149.
Vielen Staatsanwaltschaften scheint das strafrechtliche Tierhalteverbot nicht einmal bekannt zu sein.[3]Hahn/Hoven, Strafrechtliche Verfolgung von Tierschutzkriminalität in der Landwirtschaft, S. 149.
Zudem fehlt in der Justiz oft das nötige Interesse und Verständnis für das Tierschutzgesetz und die auf ihren Schreibtischen liegenden Fälle.[4]Thünen-Institut für Betriebswirtschaft, Eine explorative Analyse der Zusammenarbeit zwischen Veterinärämtern und Staatsanwaltschaften bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, 2015, S. 19 f., … Weiterlesen
Bereits das Tatbestandsmerkmal des „Leidens“ wird oft nicht adäquat rechtlich geprüft. Tiere sind fühlende Lebewesen – und jede Tierart sowie jedes ihnen jeweils angehörige Individuum erlebt Leid auf unterschiedliche Weise. Dieses Leid zu erkennen, ist zwar in einigen Fällen leicht: Eine offene Wunde, ein zu enger Lebensraum, Stress, Hecheln oder Zittern bedingt durch starke Temperaturschwankungen etc. sind deutliche Marker für empfundenes Leid. Häufig sind die Anzeichen jedoch nicht so klar: Zum Beispiel leiden Rinder leise und zeigen ihr Unbehagen nicht offenkundig durch laute Äußerungen. Fische haben nicht einmal die Fähigkeit, Laute von sich zu geben.
Noch schwieriger ist es, unbefriedigte Bedürfnisse zu identifizieren: Genau wie der Mensch haben auch Tiere das Bedürfnis, zu spielen, (sich frei) zu bewegen, sich zurückzuziehen oder einfach Freundschaften zu schließen. Bleiben Bedürfnisse unbefriedigt, kann auch das zu Leid führen. Bei derartig verstecktem Leid ist Expert:innenwissen unabdingbar.
Deswegen besteht zum einen Bedarf an gründlicheren Schulungen, um sicherzustellen, dass Richter:innen und Staatsanwält:innen in der Lage sind, tierschutzrechtliche Bestimmungen zu verstehen sowie angemessen prüfen zu können.[5]Vgl. Bülte, Massentierhaltung – Ein blinder Fleck bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität?, NJW 2019, 19 (22). Zum anderen müssen sie auch in der Lage sein, zu erkennen, wann Sachverständige einzubinden sind.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass Tierhalteverbote bei gewerblichen Tierhalter:innen, darunter Betriebsinhaber:innen und Nebenerwerbslandwirt:innen, seltener verhängt werden. Tierhalter:innen mit niedrigem Einkommen und ohne andere berufliche Tätigkeiten werden häufig von einem Tierhaltungsverbot verschont. Die Zurückhaltung scheint in diesen Fällen darin begründet, dass sich davor gescheut wird, faktische Berufsverbote zu verhängen.[6]Vgl. Hahn/Hoven, Strafrechtliche Verfolgung von Tierschutzkriminalität in der Landwirtschaft, S. 150.
Wie könnte die Praxis der Verhängung von Tierhaltungsverboten verbessert werden?
Es ist dringend geboten, dass das materielle Tierschutzrecht konsequenter durchgesetzt wird und Staatsanwält:innen, Richter:innen sowie Mitarbeiter:innen von Veterinärämtern und der Polizei eine adäquate Ausbildung im Tierschutzstrafrecht durchlaufen. Das Einrichten von Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Spezialdezernaten wäre hier zu begrüßen. Es ist auch entscheidend, dass Staatsanwaltschaften in ihren Anklagen und Schlussplädoyers Tierhalteverbote vor Gericht fordern, wenn diese geboten sind.
Zusätzlich muss eine Verschärfung des Tierhalteverbots im Zuge der Novellierung des Tierschutzgesetzes eingeführt werden. Wenn jemand mehrere Tierarten hält, darf das Tierhalteverbot nicht nur auf eine Spezies beschränkt werden. Im Rahmen des § 20a TierSchG muss der Ermessensspielraum der Richter:innen reduziert werden. Eine solche Reduzierung hätte das Ziel, dass bei Begehung einer (schweren) Tierschutzstraftat ein Tierhalteverbot nicht nur lediglich verhängt werden kann, sondern muss. Zudem soll bei Vorliegen eines Verstoßes gegen § 17 TierSchG ein Tierhalteverbot standardmäßig mitgeprüft werden.
Gerichte sollten zudem generell strafrechtliche Tierhalteverbote häufiger aussprechen, wo dies notwendig ist.
Eine erfreuliche Entwicklung ergab sich immerhin, als der Bundesrat am 28. Oktober 2022 für die Einrichtung eines bundesweiten Registers über verhängte Tierhaltungs- und Betreuungsverbote stimmte. Nun liegt es an der Bundesregierung, ein solches Register einzurichten. Gerade bei wiederholten Verstößen können dadurch Wiederholungstäter:innen schneller gefunden und behördlich sowie gerichtlich verfolgt werden.[7]Land Brandenburg (28.10.2022): Bundesrat stimmt Brandenburger Initiative für bundesweites Register über verhängte Tierhaltungsverbote zu, … Weiterlesen
Ein intensiver Austausch zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Veterinärämtern wird ebenso dringend benötigt, um eine effektivere Zusammenarbeit zu gewährleisten.
Um zudem das oben beschriebene strukturelle Ungleichgewicht ausgleichen zu können, ist zudem die bundesweite Einführung von Tierschutzverbandsklagegesetzen erforderlich. Solche Gesetze gewähren Tierschutzorganisationen Beteiligungsrechte in Verwaltungsverfahren mit tierschutzrechtlichem Bezug und tragen zu einer stärkeren Umsetzung der Rechtsschutzmöglichkeiten für Tiere bei.
Alina Gelzer ist seit Juni 2023 Teil des Rechtsteams bei PETA in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit tierschutzrechtlichen Themen.
Quellen