„Meist sind es Schweine und Geflügel, die in Betrieben verhungern“

In der Landwirtschaft gibt es seit jeher eklatante Vollzugsdefizite im Tierschutzstrafrecht. Eine im Jahr 2022 erschienene Studie gibt einen erschreckend klaren Überblick, hält aber auch neben Erklärungsansätzen vor allem veritable Reformvorschläge bereit.

In der empirische Untersuchung „Strafrechtliche Verfolgung von Tierschutzkriminalität in der Landwirtschaft“ unter Co-Autorinnenenschaft von Elisa Hoven und Johanna Hahn[1][1] Hahn/Hoven, Strafrechtliche Verfolgung von Tierschutzkriminalität in der Landwirtschaft, Nomos-Verlag, 2022 – im Open Access abrufbar unter … Weiterlesen befassen sich die Autor:innen mit der Umsetzungsrealität des in Augenschein genommenen Tierschutzstrafrechts. Anhand von Akteneinsichten und Expert:inneninterviews erstellten sie Statistiken und belegen empirisch: Die aktuelle Anwendung des Tierschutzstrafrechts wird schon dem Begriff „Tierschutz“ nicht annähernd gerecht.

Die Autorinnen wurden unter anderem für die Wochenzeitung „Die ZEIT“ interviewt. Ihre Arbeit wird wiederholt als Grundlage politischer Forderungen nach einer systematischen Veränderung nicht zuletzt zum Wohl der Tiere genannt. Eine Studie auf diesem Niveau existierte zuvor nicht; berechtigt positiv ist die Resonanz.

I. Hintergrund

Vom Deutschen Ethikrat, aus Teilen der Wissenschaft sowie der Tierrechts- und Tierschutzbewegung ist seit Jahrzehnten zu hören, dass beim Tierschutz das Strafrecht nicht richtig angewendet wird. Als Basis für eine umfassende Studie begutachteten die Autorinnen Akten von PETA Deutschland e.V. sowie die Akten verschiedener Ermittlungsbehörden. Sie untersuchten 1.551 Verfahren gegen 160 Tatverdächtige, die Verstöße gegen die zentralen Strafvorschriften des Tierschutzgesetzes (TierSchG) zum Inhalt hatten. Sie führten zudem leitfadengestützte Interviews mit Staatsanwält:innen, Amtstierärzt:innen, Tierschutzbeauftragten, Tierschutzorganisationen und anderen in der Branche.[2][1] Die Studie erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf statistische Repräsentativität, da es sich um eine „qualitative Hellfeldstudie“ handelt. Hahn/Hoven, Strafrechtliche Verfolgung von … Weiterlesen

II. Zum Inhalt der Studie

Die Autorinnen geben nach einer Einführung einen Überblick über die Gesetzeslage. Sie beschreiben den für die Untersuchung vor allem relevanten § 17 TierSchG (quälerische/rohe Tiermisshandlung, strafbare Tiertötung) in seinen Varianten, ferner § 2 TierSchG, die Grundvorschrift für die „artgerechte“ Tierhaltung, und darüber hinaus die maßgeblichen Vorschriften zur  Haltung, Transport und Schlachtung von „Nutztieren“. Darauf basierend stellen sie ihre Forschungsfragen vor, welche sie nach „Phänomen“ (Tierart, Zahl der Tiere, Betriebsgröße, vorwerfbares Verhalten), nach Verfolgungsrealitäten (Tatbestandsvarianten der Ermittlung, Anklage oder Verurteilung, verhängte Sanktionen) und schließlich nach allgemeinen Einschätzungen (Herausforderungen, Beweisprobleme, Reformanlass) unterteilen.

1. Anzeigen und Anzeigeverhalten

Die Untersuchungen erstreckten sich auf Tierhaltungsbetriebe, Schlachtbetriebe und Tiertransportunternehmen aller Größen. Je nach Fall waren ein Tier bis mehrere Tausend Tiere betroffen. Die meisten Fälle hatten die Vernachlässigung wegen fehlender Fütterung oder medizinischer Versorgung zum Inhalt, danach folgten mangelhafte Haltungsbedingungen und Misshandlungen. „Meist sind es Schweine und Geflügel, die in den Betrieben verhungern.“, erzählt Johanna Hahn in einem Interview zu der Studie.[3]Die ZEIT, Tierquälerei: „Fünf Prozent dürfen zugrunde gehen“, Interview mit Hahn/Hoven vom 10.07.2022.

Adressat:innen des Tatvorwurfs waren zumeist Mitarbeitende des Betriebs oder Inhaber:innen von Kleinbetrieben. Selten wurden leitende Personen „hinter“ Großbetrieben oder Amtstierärzt:innen angezeigt.

Als Motive wurden primär Arbeitsüberlastung und Überforderung ins Feld geführt. Auch fehlendes Unrechtsbewusstsein und fehlende Empathie für die Tiere spielten eine große Rolle.

Veterinärämter und Tierschutzorganisationen waren die primären Anzeigenerstatter, erstere bei anlassbezogenen Kontrollen. Dabei entstand der Eindruck, dass die Veterinärämter erst viel zu spät Anzeige erstatteten, stattdessen lange nur verwaltungsrechtlich kontrollierten und dokumentierten. Tierschutzorganisationen waren die einzigen, die Anzeigen gegen Großbetriebe erstatteten.

 2. Hintergründe für das Anzeigeverhalten

 Die Zurückhaltung der Veterinärbehörden liegt nach Wiedergabe der Studie in der fehlenden Aneignung der (auch rechtswissenschaftlichen) Fachliteratur. Ferner wird sie immer wieder mit Zeit- und Personalmangel und dessen fehlender Schulung im Erstellen von Strafanzeigen begründet- so dass diese eher auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen zugreifen, wie die Wegnahme von Tieren.

Die für die Studie befragten Amtstierärzt:innen, zwei der Staatsanwälte und auch die Landestierschutzbeauftragte gaben allesamt an, dass alle Felder des Tierschutzes unterbesetzt seien. Teilweise würde Strafverfolgung sogar als Gefahr für eine „funktionierende“ Landwirtschaft angesehen.[4][2] Siehe Fußnote 3 – Moderne Tierhaltung kommt nicht ohne Straftaten aus, so wohl die Idee. Bei verbreiteten quälerischen Haltungsformen oder Praktiken (Kastenstand, Anbindehaltung) würden (wegen praktischer Akzeptanz) erst gar keine Strafanträge gestellt. Durch politischen Druck und Lobbyismus könnten berufliche Nachteile, Mobbing und Versetzungen für Amtstierärzt:innen drohen – diese Erwartungen und neben den geringen Erfolgsaussichten einer Strafanzeige seien ebenfalls Grund für Resignation und mangelnde Ernstnahme der strafrechtlichen Instrumentarien.

Tierschutzorganisationen hatten ausweislich der Studie eine herausgestellt wichtige Rolle bei Erstattung der Anzeigen, stellten diese je nach Ausstattung auch besonders kompetent mit Beweismaterial und rechtlicher Würdigung.

3. Verhalten der Staatsanwaltschaften

Die Analyse des Verhaltens der Strafverfolgungsbehörden ergab, dass bei sämtlichen Strafanträgen von Tierschutzorganisationen keine Beschuldigtenvernehmungen und generell keine Vernehmungen von Führungskräften erfolgte. Fast immer wurden gutachtliche Stellungnahmen von Tierärzt:innen eingeholt. Dies ist insofern problematisch, als sogar rechtliche Subsumtionen der tierärztlichen Gutachter:innen ungeprüft übernommen wurden, trotz fehlender Eignung der Gutachter:innen hierfür. Die Gutachten fielen systematisch zu vorsichtig aus, es wurden zu hohe Anforderungen an den Tatbestand und den Nachweis einer Straftat gestellt.

Vor-Ort-Kontrollen gab es kaum, Videomaterial wurde oft fälschlich als kein ausreichender Beweis für Tierschutzverstöße bewertet. Aufgrund mangelnder Fachkenntnis und Erfahrung der Tierverhaltensforschung seitens der Gutachter:innen waren für diese darauf keine eindeutig identifizierbaren Leiden oder Schmerzen zu erkennen. Für ausreichend hielt die Staatsanwaltschaft fast immer nur pathologische Befunde, die aber aufgrund Zeitablaufs (Schlachtung o.ä.) in den meisten Fällen nicht eingeholt werden konnten. So verneinte die Staatsanwaltschaft regelmäßig schon den Anfangsverdacht einer Straftat.

Auch bei der Anwendung des materiellen Rechts durch die Staatsanwaltschaften wurden nach dem Ergebnis der Autorinnen gleichermaßen bestehende Möglichkeiten des Tierschutzstrafrechts nicht genutzt. So spielte § 17 Nr. 1 TierSchG, die Tötung eines Tieres ohne vernünftigen Grund, in einem einzigen Fall eine Rolle. Zum einen erfolgten meist keine Ermittlungen der Todesursache, vielmehr wurden in der Haltung hohe „Verlustraten“ von bis zu 12 % oder 15 % einfach als üblich und nicht strafrechtsrelevant akzeptiert, ohne Rückschluss auf Haltungsmängel. Dies widerspricht sehr deutlich dem Ansatz des deutschen TierSchG als Individualtierschutzrecht.

Kein einziges Verfahren wurde gem. § 17 Nr. 2 TierSchG (allein) wegen der Zufügung von „Leiden“ geführt. Nicht berücksichtigt wurden Leiden der Tiere durch Einschränkung des Normalverhaltens (ohne körperliche Erkrankung), wie zum Beispiel Essstörungen, Federpicken oder Kannibalismus. Ein Grund hierfür sehen die Autorinnen in den fehlenden Kenntnissen der Sachverständigen in der Tierverhaltensforschung (Ethologie), welche keinen Raum in der tierärztlichen Aus- und Weiterbildung einnehme. Von den Staatsanwält:innen kamen dementsprechend keine Fragen oder Ermittlungen betreffend die Tierverhaltensforschung.

Für alle Fälle wurde der Nachweis des Vorsatzes als extrem schwierig eingestuft, insbesondere bei einer Vielzahl von betreuten Tieren. So wurde vorgebracht, einzelne Verletzte könnten „aus Versehen“ übersehen werden, und es sei es möglich, dass  Verletzungen zwischen zwei pflichtgemäßen Kontrollgängen entstanden seien. Überhaupt hätten doch die Tierhalter:innen ein „eigenes Interesse an der Gesundheit der Tiere“. Die Staatsanwaltschaften tolerierten in hohem Maße die Üblichkeiten der Landwirtschaft, ohne sie rechtlich einzuordnen.

 4. Ausgang der Ermittlungsverfahren

Diese Darstellungen sind für sich bereits dramatisch, finden ihre logische Folge indes im Ausgang der Ermittlungsverfahren. Bei 156 Tatverdächtigen endete in 113 dieser Fälle das Verfahren mit einer Einstellung (72,4 %), in 34 Fällen mit einem Strafbefehl (21,8 %) und in 9 Fällen mit einer Anklage (5,8 %).

Einstellungsgrund war zu 70 % die „fehlende Nachweisbarkeit“ eines objektiven Tatbestandes nach § 17 TierSchG. Gründe hierfür waren das zu enge Verständnis des Tatbestandes und zu hohe Hürden an die Nachweisbarkeit, sowie die nicht mögliche Identifikation des/eines Täters (bei Systemproblemen, Haltungsbedingungen). Außerdem wurden Verfahren wegen angeblicher Geringfügigkeit (keine Vorstrafen, langes Ermittlungsverfahren, „nur“ ein Tier betroffen) eingestellt, als routinemäßige Einstellung gegen Auflage einer geringen Geldzahlung, wegen politischen Drucks oder der „Belastung des Beschuldigten durch mediale Verbreitung“. Anklageerhebung erfolgte in keinem der Fälle, die eine Tierschutzorganisation zur Anzeige gebracht hatte,[5]Die ZEIT, Tierquälerei: „Fünf Prozent dürfen zugrunde gehen“, Interview mit Hahn/Hoven vom 10.07.2022. wohl weil die Staatsanwaltschaften sich „nicht von  den Tierschützern vor den Karren spannen lassen wollen“.[6]Hoven, aao.

5. Verhalten der Gerichte/ Gerichtsverfahren

Das Verhalten der Gerichte und deren Fehler sind im Grundsatz dieselben wie die der Staatsanwaltschaften. Zusätzliches Problem war vor Gericht das unsichere Auftreten der Amtstierärzt:innen in den Verfahren –  hoher Druck, und Angst vor Repressionen sowie die fehlende Schulung sind dafür ursächlich. Resultat waren in den untersuchten Fällen daher sehr geringe verhängte Strafen: 40 bis 130 Tagessätze (in 10 von 11 Verfahren) und eine einzige Freiheitsstrafe von 4 Monaten auf Bewährung. Tierhaltungsverbote waren selbst in massiven Fällen der Tierquälerei extrem selten. Dies wird der Tatsache zugeschrieben, dass die Veterinärämter gleichzeitig selbst (verwaltungsrechtliche) Tierhaltungsverbote erwogen, ein strafrechtliches Tierhalteverbot daher (zu Unrecht) für obsolet gehalten wurde.[7]Fehlerhafte Einordnung des Verhältnisses von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht, Verkennung des § 21 OWiG. Zuletzt bestand die Sorge, dass diese Verbote faktisch einem Berufsverbot gleichkommen könnten. Zum Vergleich: bei den Vermögensstraftaten kommt es viel öfter zur Verhängung von Freiheitsstrafen; etwa bei der Unterschlagung, die denselben Strafrahmen aufweist wie § 17 TierSchG. Im Vermögensstrafrecht ist die Quote der nicht zur Bewährung ausgesetzten Strafen zusätzlich zehnmal so hoch.[8]Bülte, in: Bülte/Felde/Maisack, Reform des Tierschutzrechts, Gutachten, 2022, S. 29.

III. Reformideen

Abschließend thematisieren die Autorinnen die Frage, wie sich das Tierschutzstrafrecht im Bereich der Intensivtierhaltung reformieren ließe.

1. Materielles Strafrecht: Strafrahmenerhöhung und Verwaltungsakzessorität

Neben der Erhöhung des Strafrahmens des § 17 TierSchG schlagen Hahn und Hoven vor, diesen zu erweitern, also Versuch und Fahrlässigkeit auch unter Strafe zu stellen. Für Tierhalter:innen und Amtspersonen müssten entsprechend ihrer Garantenstellung Qualifikationstatbestände geschaffen werden. Zusätzlich zu § 17 TierSchG bedürfe es verwaltungsrechtsakzessorischer Straftatbestände, das heißt, Verstöße gegen Tierschutzverwaltungsrecht und tierhalterische Pflichtverletzungen sollten für eine Strafbarkeit ausreichen. Damit würden abstrakte Gefährdungsdelikte im Bereich Tierschutz geschaffen, die die beschriebenen Beweisschwierigkeiten vermeiden helfen. Die Begründung überzeugt: Ein Verstoß gegen Tierschutz-Verwaltungsrecht birgt bereits eine so große Gefahr für das Tierwohl, dass er sanktioniert werden sollte. Der Verletzungserfolg müsste dann nicht mehr bewiesen werden. So könnte etwa mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wer Schweine und ihre Ferkel auf kleinerem Raum als gesetzlich vorgeschrieben hält – ohne dass zusätzlich bewiesen werden müsste, dass die Tiere dadurch erheblich leiden. Ausreichend wäre dann auch der Vorsatz hinsichtlich des Verstoßes gegen die verwaltungsrechtlichen Vorgaben. Realisierbar wäre dies ohne Zusatzaufwand für die Ämter, da die Veterinär:innen ohnehin das (für die Betriebe verbindliche) Verwaltungsrecht prüfen müssten.

2. Übertragung des bedeutsamen § 17 TierSchG ins Strafgesetzbuch

aus dem Nebenstrafrecht ins Strafgesetzbuch (StGB) gezogen werden, nicht nur wegen des symbolischen Werts, auch um mehr Sichtbarkeit für den Straftatbestand zu schaffen, damit das Tierschutzstrafrecht auch in die juristische Aus- und Fortbildung integriert werde. Tierhalteverbote als unmittelbarste Bewahrung der Tiere vor zukünftigen Straftaten eines Tierhalters sollten zwingend mit einer Verurteilung oder einem Strafbefehl einhergehen, anstatt lediglich optional verhängt werden zu können – um dem Gedanken des Individualtierschutzes gerecht zu werden.

3. Strafprozessrecht: Nebenklage und Klageerzwingungsverfahren für Orgas

Im Strafprozessrecht müssten nach Auffassung der Autorinnen unter anderem eine Nebenklageberechtigung für anerkannte Tierschutzorganisationen geschaffen werden, dazu das Recht auf Akteneinsicht. Nur so könne das Problem gelöst werden, dass Tiere sich im Strafverfahren nicht selbst repräsentieren können. Wenn Tierschutzorganisationen diese Aufgabe nicht übernehmen dürfen, bleibt die Seite des Geschädigten voll und ganz ungehört. Auch das Klageerzwingungsverfahren sei den Tierschutzorganisationen zu gewähren.

4. Politische Änderungen: Schwerpunktstaatsanwaltschaften, Fortbildungen

Institutionell regen die Autorinnen an, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Spezialdezernate zu schaffen, um dem Problem mangelnder Expertise beizukommen. Daneben bedürfe es spezialisierter veterinärmedizinischer Ansprechpartner:innen sowie ständige, kompetente Aus- und Fortbildungen im Bereich des Tierschutzstrafrechts – auch für nicht spezialisierte Staatsanwaltschaften und Tierärzt:innen.Das Amt einer Tierschutzbeauftragten des Bundes wurde mittlerweile geschaffen und mit der Veterinärin Ariane Kari besetzt, siehe https://www.bmel.de/DE/ministerium/organisation/tierschutzbeauftragte/beauftragte-tierschutz.html,zuletzt abgerufen am 11.07.2023)) Sie geben klar zu bedenken: „Echter Tierschutz bedarf eines grundlegenden Umdenkens in Politik und Gesellschaft. Bei derzeit über 700 Millionen geschlachteten Tieren pro Jahr in Deutschland kann eine Einhaltung und erst recht eine Kontrolle des Tierschutzes nicht gewährleistet werden. Der Respekt vor dem Leben von Tieren fordert, wie auch der Deutsche Ethikrat betont, dass generell acht- und sparsam mit dem Leben von Tieren umgegangen werden muss. Eine langfristig drastische Reduktion der Tierzahlen und stärkere Anreize für eine pflanzliche Ernährung müssen daher im Zentrum einer durchdachten Reform des Tierschutzrechts stehen.[9]Hahn/Hoven, Strafrechtliche Verfolgung von Tierschutzkriminalität in der Landwirtschaft, 2022, S. 197.

IV. Ausblick

Die Studie steht in einer Reihe mit anderen Werken der letzten Jahre, die die Situation kritisch beleuchten, und Licht dahin werfen, wo lange nur die einsamen Taschenlampen der Aktivist:innen blinkten. Das ist sehr positiv. Ebenso positiv ist hervorzuheben, dass die Reformansätze pragmatisch, durchdacht und vollzugsfähig sind, und eine juristische Machbarkeitsprüfung vollends bestehen. Elisa Hoven stellte bei der veterinärmedizinischen Tagung der DVG im März 2023 in München die Ergebnisse der Studie vor, und erntete während ihres Vortrags hörbares Erstaunen ob der beispielhaft zitierten Äußerungen der Befragten und deren daraus klar abzulesende Verweigerungshaltung. Auch wurde in der anschließenden Diskussion und Folgevorträgen klar, wo ein weiteres der Probleme liegt: Die Beteiligten des Systems wälzen routiniert die Verantwortung ab – statt die Problematik auch als die eigene zu erkennen.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis alle zu dem Schluss kommen, den Elisa Hoven privat für sich aus dieser Studie gezogen hat: Die tierfreundliche Lösung kann in einem derartigen System nur sein, auf tierische Produkte zu verzichten, also vegan zu leben.[10]So ihre Äußerung nach ihrem Vortrag auf eben der erwähnten Tagung der DVG in München, März 2023.

Die obige Idee einer „drastischen Reduzierung der Tierzahlen“ ist daher zu kurz gedacht: nur der Ausstieg aus der Tierwirtschaft und der Fokus auf den Individualtierschutz können die derzeitigen Missstände nachhaltig beseitigen. Es ist ein Missverständnis, dass Tiernutzung und Tierschutz vereinbar sind – genau wie die Begrifflichkeiten „Haltung“ und „artgerecht“  sich paradox verhalten, wenn es um das Leben von Individuen geht.

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ist seit Dezember 2021 Teil des Rechtsteams bei PETA in Berlin mit den Schwerpunkten Tier(schutz)recht, Tierethik und Verfassungsrecht.

Beiträge

War im Frühjahr 2023 Rechtspraktikant bei PETA Deutschland e.V. in Berlin.

Quellen[+]