Dumme Kuh? Wie Sprache unser Denken beeinflusst

Gesellschaftliche Debatten darüber, wie wir unsere Sprache gestalten, haben in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen. Viele Menschen möchten sichergehen, mit ihren Worten niemanden auszuklammern oder zu verletzen und achten so beispielsweise auf eine geschlechtergerechte Sprache oder meiden rassistisch-gewaltvolle Begriffe. Wie weit wir damit bereits gekommen sind, zeigt die Tatsache, dass viele Medienschaffende auf unterschiedliche Weise „gendern“ und rassistische Wörter im öffentlichen Kontext nicht mehr stillschweigend akzeptiert werden. Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Was viele Menschen nämlich bisher ausklammern, ist der Blick auf Tierfeindlichkeit und speziesistische Diskriminierung im gesprochenen Wort.

Von Worten zu Taten?

Doch warum überhaupt an unserer Sprache feilen? „Das haben wir schon immer so gesagt“ oder „Nur weil ich X sage, meine ich doch nicht Y“ sind häufige Einwände. Doch Sprache beeinflusst unser Denken. Innerhalb der Sprachforschung herrschen unterschiedliche Ansichten darüber, in welchem Umfang unsere Sprache auf unser Denken und Handeln wirkt. Doch immer wieder zeigen Untersuchungen aus Linguistik und auch Psychologie klare Zusammenhänge auf. Ein Beispiel aus der Vorurteilsforschung: Bei einer Studie stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden Aussagen von Personen für weniger glaubhaft hielten, wenn diese mit Akzent sprachen[1]Kara, Stefanie; Wüstenhagen, Claudia: Die Macht der Worte, in: ZEIT Online, 09.10.2012. Abgerufen unter: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/06/Sprache-Worte-Wahrnehmung/komplettansicht (Stand … Weiterlesen.

Auch einzelne Begriffe beeinflussen, wie wir über einen Aspekt denken. Dazu ein Beispiel aus der Psychologie: In einer Studie wurden Teilnehmende nach der richtigen Reaktion auf Kriminalität in einer fiktiven Stadt befragt. Die Kriminalitätsproblematik wurde der einen Versuchsgruppe als metaphorisches „wildes Tier“ („Biest“), der anderen als „Virus“ beschrieben. Alle anderen bereitgestellten Informationen blieben gleich. Trotzdem fielen die Reaktionen denkbar unterschiedlich aus. Die Teilnehmenden, denen die Kriminalität als „Virus“ umschrieben worden war, plädierten eher dafür, nach den Ursachen des Problems zu suchen und diese an der Wurzel zu packen, z. B. durch soziale Maßnahmen wie Armutsbekämpfung. Die andere Gruppe, der gegenüber Kriminalität als „wildes Tier“ bezeichnet worden war, sprachen sich eher dafür aus, die Kriminellen aufzuspüren und härtere Strafen zu verhängen[2]Thibodeau, Paul; Boroditsky, Lera (2011): Metaphors We Think With: The Role of Metaphor in Reasoning. PLoS ONE 6(2): e16782..

Speziesistische Sprache

Die Wildes-Tier-Metapher deutet – wenngleich nicht aus einem Tierrechtskontext – schon an, wie Bezeichnungen für andere Lebewesen ebenfalls mit bestimmten Bildern verbunden sind. Ein „wildes Tier“ wurde in diesem Zusammenhang offensichtlich als gefährlich angesehen und mit der Notwendigkeit verbunden, es einzusperren und damit unschädlich zu machen. Die konkrete Bezeichnung anderer Lebewesen kann unseren Blick auf sie prägen. Das fängt schon bei Begriffen wie „Haustier“ und „Nutztier“ an: Das sogenannte Haustier ist – so suggeriert der Begriff – für ein Leben im Haus gemacht, gemeinsam mit und ganz nah am Menschen; das sogenannte Nutztier darf vermeintlich vom Menschen nach Gutdünken genutzt werden, denn nur dazu wurde es geschaffen.

Natürlich können wir diese Konzepte auch unter Nutzung der so etablierten Begriffe hinterfragen – nur weil jemand das Wort „Nutztier“ gebraucht, heißt das nicht automatisch, dass die Person Tiere nur nach ihrem Nutzen für den Menschen bewertet. Schließlich neigen wir dazu, Worte zu gebrauchen, die von jeher in unserer Sprache präsent sind. Doch genau hier liegt die Krux: Wenn uns von klein an vermittelt wird, dass man ein Schwein „Nutztier“ nennt (später verbunden mit dem Wissen um tierquälerische Haltung und Schlachtung) und einen Hund „Haustier“, werden diese Kategorien zur Normalität. Viele Menschen erwägen so noch nicht einmal, dass etwas falsch daran sein könnte, einige Tierarten zu umsorgen und zu lieben, andere zu trivialen Zwecken zu missbrauchen und zu töten, nur weil sich der Mensch als höherwertiges Lebewesen einstuft. Diese Ideologie nennt sich Speziesismus.

Abwertende Ausdrücke

Unsere Sprache ist durchzogen von Redewendungen, Sprichwörtern und Ausdrücken, die Gewalt an Tieren verherrlichen oder Tiere herabwürdigen. Häufig fallen sie uns gar nicht als negativ auf, weil wir sie derart verinnerlicht haben. Angefangen bei Degradierungen wie der „dummen Kuh“ bis hin zu Redensarten wie „Da steppt der Bär“, die Positives suggerieren, doch einen traurigen Ursprung haben. In diesem Fall kommt der Ausdruck wohl von den sogenannten „Tanzbären“, die von Menschen gequält und dazu gezwungen wurden (und teils noch werden), zur Belustigung anderer herzuhalten. An anderer Stelle bemerkt man womöglich, man habe mit jemandem noch „ein Hühnchen zu rupfen“ – auch hier wird die Tötung und Zerlegung eines Tieres trivialisiert, indem sie sinnbildlich für ein etwas heikles Gespräch steht. Schon die Verniedlichung des Huhns als „Hühnchen“ verleiht der Redensart einen lockeren, lustigen Charakter.

Dabei bietet uns Sprache doch so viele kreative Möglichkeiten, Dinge auszudrücken, ohne andere zu beleidigen oder Gewalt zu verharmlosen. Warum im Falle des „Hühnchenrupfens“ nicht lieber davon sprechen, man habe mit jemandem noch „Weinblätter zu rollen“? Das dauert bekanntlich auch lange und lässt genügend Zeit für intensive Gespräche. Und anstatt von einer „dummen Kuh“ sollte man vielmehr von der „mutigen Kuh“ reden, denn Kühe sind bekannt dafür, ihre Kälber mit aller Kraft furchtlos zu verteidigen.

Blick auf Tiere

Auf einen merklichen Unterschied zwischen dem Weglassen speziesistischer Sprache einerseits und beispielsweise rassistischer oder sexistischer Sprache andererseits muss jedoch verwiesen werden. Bei Diskriminierungsdimensionen, die Menschen betreffen – sei es Rassismus, Sexismus, Ableismus oder auch Klassismus –, liegt die Problematik auf zwei Ebenen verortet: Bei den Betroffenen und bei denen, die diskriminierende Sprache verwenden. Wenn eine Person etwa eine rassistische Bezeichnung verwendet, löst das einerseits etwas in ihrem Kopf aus – Vorurteile, Feindbilder und rassistisches Denken werden so stets reproduziert und gestärkt; andererseits kann es aber vor allem auch rassifizierte Menschen verletzen oder (re)traumatisieren.

Die zweite Ebene betrifft Tiere nicht unmittelbar, denn sie können uns zwar aufgrund unserer Mimik, Gestik oder auch Tonlage verstehen, doch da sie eine andere Sprache sprechen, haben unsere Worte als solche für sie ohne vorherige Konditionierung keine Bedeutung. Doch im weiteren Zusammenhang stehen unsere Sprache und unser Denken – und damit potenziell auch unsere Taten – wie erläutert in Verbindung zueinander. Wie wir über Tiere sprechen, beeinflusst, wie wir über sie denken und andersherum. Wer Tiere als minderwertig betrachtet, wird auch anders mit ihnen umgehen als ein Mensch, der Tiere als Lebewesen mit individuellen Bedürfnissen und der Fähigkeit zu diversen Emotionen ansieht. Und so bekommen Tiere die Auswirkungen unserer Taten tagtäglich leidvoll zu spüren.

Beiträge

der Tierschutzorganisation PETA Deutschland e.V.

Quellen[+]