Kopperriemen, Stachelbox, Operation und Co. – Heilmittel oder strafbare Tierquälerei?

Haben Sie schon einmal ein Pferd koppen gehört?

Als Koppen wird das Anspannen der vorderen Halsmuskulatur bezeichnet. Es kommt zum Öffnen des Schlundkopfs und zum Einströmen von Luft in die Speiseröhre, wodurch meist ein rülpsendes Geräusch entsteht. Häufig setzen Pferde zum Koppen die Schneidezähne auf einen festen Gegenstand auf, zum Beispiel auf einen Krippenrand, eine Boxenumrandung oder Zaunlatten. Dies wird Aufsatzkoppen genannt. Beim sogenannten Freikoppen bewegt das Pferd seinen Kopf erst zur Brust und dann in einer ruckartigen Bewegung nach vorne.

Verhaltensstörungen sind Leidensindikatoren

Das Koppen ist eine stereotype Verhaltensstörung.[1]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage 2023, § 17 Rn. 102; TVT-Nachrichten 2/2021, 37, 38, 40; TVT Merkblatt Nr. 187. Stereotypien sind Wiederholungen eines Verhaltens, die keine ersichtliche Funktion haben. Stereotype Verhaltensstörungen kommen bei Tieren in der freien Natur nicht vor.[2]TVT Merkblatt Nr. 187. Verhaltensstörungen zeigen an, dass das Tier durch die Haltungs- und Umweltbedingungen, denen es ausgesetzt ist, am Ausleben seiner natürlichen und essentiellen Verhaltensmuster gehindert wird. Hierdurch wird die Anpassungsfähigkeit erheblich überfordert. Verhaltensstörungen sind Indikatoren dafür, dass das Tier erheblich leidet (§ 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG).[3]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage 2023, Anh: § 2 Rn. 109a.

Ursachen für das Koppen

Besonders häufig treten das Koppen und andere Verhaltensstörungen bei der Pferdehaltung in Einzelboxen als Folge einer sozialen Isolation und zu geringen Bewegung auf. Auch ungeeignete Fütterungspraktiken sind eine häufige Ursache für Verhaltensstörungen.[4]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage 2023, Anh: § 2 Rn. 109a. Wenn Pferden zu viel Kraftfutter bei zu geringem Raufutteranteil zur Verfügung gestellt wird, werden sie in ihrem Normalverhalten stark eingeschränkt. Unter natürlichen Bedingungen sind sie grasend 16 bis 18 Stunden mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt, was ihnen bei der oben beschriebenen Fütterungspraktik nicht möglich ist und zu Verhaltensstörungen führt.[5]TVT Merkblatt Nr. 187, https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_187_Einsatz_von_Kopperriemen_September_2020.pdf&did=326 [zuletzt … Weiterlesen

Des Weiteren können Ausbildungs- und Trainingspraktiken sowie Schlüsselereignisse mit einer besonderen Belastung zu erheblichem oder chronischem Stress führen.[6]Freymon/Bardou et al., The physiological consequences of crib-biting in horses in response to an ACTH challenge test, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0031938415300305 [zuletzt … Weiterlesen Stereotype Verhaltensstörungen sind bei „Sportpferden“ signifikant häufiger als bei „Freizeitpferden“,[7]TVT Merkblatt Nr. 187, https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_187_Einsatz_von_Kopperriemen_September_2020.pdf&did=326 [zuletzt … Weiterlesen möglicherweise wegen der Überforderung durch die Leistungsanforderungen.[8]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage 2023, § 17 Rn. 134.

Unterbindung des Koppens: Keine Abhilfe, sondern Tierquälerei

Nicht selten werden tierschutzwidrige Maßnahmen angewandt, mit denen die Verhaltensstörung unterbunden werden soll – ohne eine Änderung der ursächlichen Haltungsbedingungen. Beispielsweise wird ein sogenannter Kopperriemen um den Kehlkopf angelegt und eng festgezogen. Dadurch wird das Koppen mechanisch unterbunden.[9]TVT Merkblatt Nr. 187, https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_187_Einsatz_von_Kopperriemen_September_2020.pdf&did=326 [zuletzt … Weiterlesen Gegen das Aufsatzkoppen werden nicht selten stromführende Litzen oder Stachel auf den Boxenrändern angebracht, also an die Stelle, auf die das Pferd seine Zähne zum Koppen aufsetzen würde. Ferner ist es nicht unüblich, operativ die für das Koppen notwendigen Muskeln zu entfernen und Nerven zu durchtrennen, welche die lange Halsmuskulatur versorgen.

Alle der vorgenannten Maßnahmen haben gemeinsam, dass sie nur die sichtbaren Anzeichen der Verhaltensstörung unterbinden und sich nicht mit der Ursache des Koppens beschäftigen.[10]TVT Merkblatt Nr. 187, https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_187_Einsatz_von_Kopperriemen_September_2020.pdf&did=326 [zuletzt … Weiterlesen

Überdies sind alle das Koppen unterbindenden Maßnahmen regelmäßig strafbar. Wird die Verhaltensstörung unterdrückt, werden den Pferden über die ungeeigneten Haltungsbedingungen hinaus Schmerzen und Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG zugefügt. Aus diesem Grunde ist regelmäßig der Straftatbestand der Tierquälerei erfüllt, der eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nach sich ziehen kann. Im Falle der Kopper-Operation wird darüber hinaus eine verbotene Teilamputation durchgeführt, wenn die Außnahmen der grundsätzlich verbotenen Operation des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG  nicht vorliegen.[11]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage 2023, § 17 Rn. 134.

Der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. zufolge wird den Pferden durch die Unterdrückung der Verhaltensstörung die Möglichkeit zur Stressbewältigung genommen, wodurch weiterer Stress erzeugt wird.[12]TVT Merkblatt Nr. 187, https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_187_Einsatz_von_Kopperriemen_September_2020.pdf&did=326 [zuletzt … Weiterlesen Der Kommentierung von Hirt/Maisack/Moritz/Felde zufolge sind derartige Maßnahmen „besonders tierschutzwidrig“.[13]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz Kommentar, 4. Auflage 2023, Anh: § 2 Rn. 109a.

Welche Bedürfnisse haben Pferde?

Um einemkoppenden Pferd zu helfen, sollten die Ursachen für die Verhaltensstörung in den Blick genommen werden, statt tierschutzwidrige Abhilfeversuche zu unternehmen. Dabei sind die Pferdehalter:innen gehalten, die Bedürfnisse der Pferde in den Mittelpunkt zu stellen. Pferde benötigen zudem eine arttypische Ernährung und Zugang zu einer Weide. Sie wollen sich ausreichend bewegen, beschäftigen und mit Artgenossen interagieren. Insgesamt muss bei koppenden Pferden jeglicher Stress reduziert werden. All dies sind wichtige Faktoren, damit Verhaltensstörungen wie das Koppen bestenfalls gar nicht erst entstehen. Ein koppendes Pferd sollte, wenn die Verhaltensstörung erst einmal entwickelt wurde, keinesfalls daran gehindert werden, zu koppen.

Wer ein koppendes Pferd beobachtet, sollte veranlassen, dass es veterinärbehördlich überprüft wird, da die Verhaltensstörung regelmäßig darauf schließen lässt, dass das Pferd leidet. Wer darüber hinaus Kenntnis von den oben beschriebenen tierschutzwidrigen Maßnahmen erlangt, sollte dies bei einer Veterinärbehörde, den Ermittlungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaften) oder bei einer Tierschutzorganisation wie PETA melden. Tierschutzverstöße an Pferden, die massives Leid erzeugen, müssen endlich aufhören und entsprechend sanktioniert werden.

 

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Ist seit März 2023 Teil des Rechtsteams bei PETA in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit tierschutzrechtlichen Themen.

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