Katzenschutzverordnungen: Warum Regelungen zur Kastration von Freigänger-Katzen zwingend notwendig sind

In Deutschland leben zahlreiche heimatlose Katzen, deren Population rasant steigt. PETA geht von etwa zwei Millionen heimatlosen Katzen in Deutschland aus, Tendenz steigend.[1]So auch: Tasso, Katzenschutzverordnungen, Der richtige Weg zur Bekämpfung des Katzenelends, https://www.tasso.net/Tierschutz/Tierschutz-Inland/Kastration-von-Katzen/Katzenschutzverordnungen [zuletzt … Weiterlesen Allein im Land Niedersachsen leben ca. 200.000 Katzen im Verborgenen und unter zum Großteil elendigen Bedingungen.[2]Niedersächsisches Ministerium für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Start der diesjährigen Kastrationsaktion 2023 für Straßenkatzen, … Weiterlesen

Bei heimatlosen Katzen handelt es sich um solche, die entlaufen, ausgesetzt oder zurückgelassen wurden sowie um deren Nachkommen.[3]vgl. amtl. Begr., BT-Drs. 17/10572, 32, https://dserver.bundestag.de/btd/17/105/1710572.pdf [zuletzt abgerufen am 19.03.2024]. Eine fortpflanzungsfähige Katze kann pro Jahr zwei Schwangerschaften mit jeweils bis zu sieben Nachkommen haben.[4]Niedersächsisches Ministerium für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Start der diesjährigen Kastrationsaktion 2023 für Straßenkatzen, … Weiterlesen Diese sind ihrerseits ab etwa dem fünften Lebensmonat vermehrungsfähig.[5]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 13b TierSchG, Rn. 2. Rechnerisch können unkastrierte Katzen und ihre Nachkommen in nur sieben Jahren bis zu 370.000 Nachkommen zeugen, was etwa der aktuellen Einwohner:innenzahl von Bochum entspricht. Unkastrierte Freigänger, also Katzen, die eine Heimat und Freigang haben, tragen zur Überpopulation und dem Leid der heimatlosen Tiere insoweit bei, dass sich viele von ihnen mit den etwa zwei Millionen heimatlosen Katzen vermehren.

Freilebende Katzen erfahren häufig Schmerzen, Leiden oder Schäden

Anders als Wildtiere sind freilebende Katzen nicht an ein Leben ohne menschliche Unterstützung angepasst, so dass sie häufig Schmerzen, Leiden oder Schäden in erheblichem Ausmaß erfahren.[6]Amtl. Begr., BT-Drs. 17/10572, 32, https://dserver.bundestag.de/btd/17/105/1710572.pdf [zuletzt abgerufen am 19.03.2024]. Die Lebenserwartung heimatloser Katzen ist erheblich geringer als die von Katzen, die in menschlicher Obhut gehalten werden, unter anderem weil sie nicht medizinisch versorgt werden und Krankheiten wie Katzenschnupfen oder Verletzungen nicht behandelt werden. Auch der Anteil abgemagerter oder unterernährter Katzen ist deutlich höher. In einer Untersuchung in Berlin lag die Welpensterblichkeit bei etwa 50 Prozent während des ersten Lebensjahres, Todesursachen waren vor allem Unfälle und Krankheiten.[7]Zum Vorstehenden vgl. amtl. Begr., BT-Drs. 17/10572, 32, https://dserver.bundestag.de/btd/17/105/1710572.pdf [zuletzt abgerufen am 19.03.2024].

Weitere Folgeprobleme

Dadurch, dass heimatlose Katzen häufig krank sind, scheiden sie in hohem Maße Krankheitserreger aus, was die Ausbreitung von Katzenkrankheiten begünstigt.[8]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 13b TierSchG, Rn. 9. Dies gefährdet zum einen die Gesundheit der anderen heimatlosen Katzen und der Freigänger-Katzen. [9]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 13b TierSchG, Rn. 9. Aber auch Halter:innen sind durch eine Übertragung von Zoonosen gefährdet.[10]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 13b TierSchG, Rn. 9. Hohe Populationen heimatloser Katzen sind zudem eine gewisse Gefahr für Vögel, Kleinsäuger und Reptilien.[11]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 13b TierSchG, Rn. 9.

Rechtliche Grundlagen

Um den Folgen der wachsenden Zahl heimatloser Katzen entgegenzuwirken, erließen einige Städte und Kommunen ab dem Jahr 2008 ordnungsrechtliche Kastrationsverordnungen im Rahmen der Gefahrenabwehr. Bei ordnungsrechtlichen Verordnungen richtet sich der Zweck in erster Linie nicht auf den Schutz der freilebenden Katzen, sondern auf die Abwehr anderer, wie die im vorstehenden Absatz genannten Gefahren.[12]Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 13b TierSchG, Rn. 9.

Im Jahr 2013 wurde § 13b des Tierschutzgesetzes (TierSchG) eingeführt, welcher die Landesregierungen ermächtigt, Rechtsverordnungen zum Schutz freilebender Katzen für Gebiete festzulegen, in denen (1.) an diesen Katzen festgestellte erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden auf die hohe Anzahl dieser Tiere in dem jeweiligen Gebiet zurückzuführen sind und (2.) durch eine Verminderung der Anzahl dieser Katzen innerhalb des jeweiligen Gebietes deren Schmerzen, Leiden oder Schäden verringert werden können. Nach § 13b S. 5 TierSchG können die Landesregierungen ihre Ermächtigung durch Rechtsverordnungen auf andere Behörden übertragen. Insbesondere kommen dabei ein Auslaufverbot bzw. eine Auslaufbeschränkung von nicht kastrierten Katzen und eine Registrierung der im Gebiet gehaltenen Katzen in Betracht.[13]Metzger, in: Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Auflage 2019, § 13b TierSchG, Rn. 5.

Katzenschutzverordnungen – ein Flickenteppich

Von der Verordnungsermächtigung haben bereits ca. 1100 Städte und Kommunen Gebrauch gemacht, darunter etwa Berlin, Frankfurt (Oder) und Bremen. Im Jahr 2023 beschloss das Land Niedersachsen eine landesweite Katzenschutzverordnung. Zuletzt erließ der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte im März 2024 eine Katzenschutzverordnung zur Regelung des Auslaufs und der Kastration.[14]Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, Landkreis erlässt Katzenschutzverordnung, … Weiterlesen

Bedauerlicherweise gibt es aber auch Länder und Gemeinden, in denen bisher keine Katzenschutzverordnung erlassen wurde. So existiert in Hamburg beispielsweise bisher keine derartige Regelung, obwohl in dem Stadtstaat ca. 10.000 freilebende Katzen vermutet werden.[15]Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 22/5352, … Weiterlesen

Forderungen

Der Erlass von Katzenschutzverordnungen ist grundsätzlich zu begrüßen, um erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden von heimatlosen Katzen entgegenzuwirken. Einzelne Verordnungen sind jedoch nicht ausreichend, da sich Katzen nicht an Ortsgrenzen halten. Gerade unkastrierte Kater legen bei der Suche nach einer Partnerin oft sehr weite Strecken zurück.[16]Bundestierärztekammer e.V., Kastration ohne Wenn und Aber! Die BTK appelliert, Freigängerkatzen kastrieren zu lassen, https://www.bundestieraerztekammer.de/presse/pressemeldung.php?X=20170301114044 … Weiterlesen So verlagert sich die Vermehrung in Gebiete ohne Ausgangsregelung für nicht kastrierte Katzen. Ein rechtlicher „Flickenteppich“ ist daher ungeeignet, um die Katzenpopulation langfristig wirksam einzudämmen. Vielmehr ist notwendig, dass – wie in Niedersachsen – landesweite flächendeckende Katzenschutzverordnungen eingeführt werden.

Darüber hinaus ist an das Verantwortungsbewusstsein von Tierhalter:innen zu appellieren. Eine Kastration ist ein Routine-Eingriff mit geringem Risiko und relativ geringen Kosten im Vergleich zu den Lebenshaltungs- und möglichen Behandlungskosten für Verletzungen oder Infektionen. Hinzu kommt, dass der Einwand, eine Kastration sei entgegen der Natur der Katze, nicht greift. Denn der Geschlechtstrieb führt in erster Linie zu Stress bei den Tieren.[17]Bundestierärztekammer e.V., Kastration ohne Wenn und Aber! Die BTK appelliert, Freigängerkatzen kastrieren zu lassen, https://www.bundestieraerztekammer.de/presse/pressemeldung.php?X=20170301114044 … Weiterlesen Zum Schutz aller Katzen und deren Halter:innen ist es erforderlich, Freigänger-Katzen kastrieren zu lassen und so die Verbreitung von Krankheiten, die von Katzen übertragen werden können, einzudämmen.

 

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Ist seit März 2023 Teil des Rechtsteams bei PETA in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit tierschutzrechtlichen Themen.

Quellen[+]