Hunde in überhitzten Fahrzeugen zurücklassen – strafbar?

Die warmen Tage häufen sich und mit ihnen die Anzahl der Hunde, die achtlos in überhitzten Fahrzeugen zurückgelassen werden. Dabei kann sich das Fahrzeuginnere bei einer Außentemperatur von 34 °C bereits nach zehn Minuten auf über 40 °C aufheizen und damit eine konkrete Lebensgefahr für das zurückgelassene Tier hervorrufen.

Nach einer Stunde können darüber hinaus beachtliche 60 °C erreicht werden.[1]Hund alleine im Auto lassen: Ist dies strafbar?, https://www.bussgeldkatalog.org/hund-im-auto-lassen/ [Zuletzt abgerufen am 24.06.2022] Menschen, die ihren Hund in einem überhitzten Fahrzeug zurücklassen, machen sich hierbei regelmäßig gemäß § 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz (TierSchG) strafbar. Demgegenüber gewährt die Rechtsordnung Dritten in derartigen Situationen die Möglichkeit, in rechtmäßiger Weise die Tiere aus ihrer misslichen Lage zu befreien, im Notfall auch mittels gegen das Fahrzeug gerichtete Gewalteinwirkung.

Die strafbewehrten Folgen für die nachlässigen Tierhalter:innen

Genauso wie das Zurücklassen von Menschen – insbesondere von Kleinkindern – in überhitzten Fahrzeugen zu fatalen gesundheitlichen Folgen führen kann, so ist das Schicksal der zurückgelassenen Hunde nicht weniger tragisch. Dennoch wird diese Parallele nicht von allen Menschen gleichermaßen gezogen, obwohl sie sich in beiden der dargestellten Situationen strafbar machen können. Denn wer einen Hund in einem überhitzten Fahrzeug zurücklässt, macht sich regelmäßig zumindest gemäß § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG wegen quälerischer Tiermisshandlung strafbar.

Quälerische Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG

Der Tatbestand des § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG ist auf objektiver Tatbestandsebene erfüllt, wenn dem Hund länger anhaltende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden. Diese Tatbestandsmerkmale können bereits dann gegeben sein, wenn der Hund lediglich für wenige Minuten in dem überhitzten Fahrzeuginneren verweilen muss und hitzebedingt beginnt zu dehydrieren und zu hyperventilieren. Dies äußert sich unter anderem durch das Entstehen von Schaum vor dem Mund und starkes Hecheln.

Zusätzlich wird der Hund instinktiv den Drang verspüren, einen kühlen Ort zu finden, den es aber innerhalb des Fahrzeugs nicht gibt, sodass der Hund mit der Ausweglosigkeit seiner Situation konfrontiert und gestresst wird. Die Dehydrierung wirkt sich schnell auf die Organe aus; äußerlich erkennbar röten sich die Augen, die Körperfunktionen werden beeinträchtigt, Gewebeschäden und schließlich der Tod durch Organversagen drohen.

Hervorzuheben ist zudem, dass hinsichtlich des tatbestandlichen Merkmals „länger anhaltende“ Schmerzen oder Leiden ein Perspektivenwechsel vorzunehmen ist. Denn es kommt hierbei nicht auf das Zeitempfinden des Menschen an. Vielmehr verfolgt § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG an dieser Stelle einen pathozentrischen Ansatz, welcher es erforderlich macht, auf das wesentlich geringere Vermögen des leidenden Tieres, physischem oder psychischem Druck standhalten zu können, abzustellen.[2]OLG Hamm, Urteil vom 27.02.1985 – 4 Ss 16/85, NStZ 1985, S. 275-276 (275). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Tier nicht in der Lage ist zu reflektieren, wie lange es seiner prekären Situation ausgeliefert sein wird.

Führt das nachlässige Handeln der verantwortlichen Person zu dem hitzebedingten Tod des Tieres, kommt zudem eine Strafbarkeit nach § 17 Nr. 1 TierSchG in Betracht, sofern sie keinen vernünftigen Grund im Sinne dieser Vorschrift für ihr Verhalten vorbringen können. An Letzterem mangelt es regelmäßig, sodass der Tatbestand des § 17 Nr. 1 TierSchG gegeben sein wird.

Damit darüber hinaus der subjektive Tatbestand des § 17 Nr. 1 und 2 lit. b) TierSchG bejaht werden kann, genügt bereits eine billigende Inkaufnahme der zuvor erwähnten objektiven Tatbestandsmerkmale. Dies bedeutet, dass Hundehalter:innen sich auch dann strafbar machen können, wenn sie das Leid oder den Schmerz des Tieres überhaupt nicht verursachen möchten, sich jedoch mit diesen etwaigen Folgen abfinden. Angesichts der immensen sowie weitbekannten Gefahrenlage, die untrennbar damit einhergeht, wenn man ein Tier bei sommerlichen Temperaturen in einem Wagen lässt, darf davon ausgegangen werden, dass die tierhaltende Person die tödlichen oder zumindest quälenden Folgen regelmäßig in Kauf genommen haben wird.

Je heißer die Temperaturen im konkreten Fall waren, desto eher ist dieser Rückschluss, der auf dem Gefahrenpotenzial der Handlung beruht, zu ziehen.

Das ordnungswidrige Handeln der Hundehalter:innen

Der Vollständigkeit halber ist ferner zu erwähnen, dass Hundehalter:innen in den zuvor geschilderten Fällen zusätzlich ordnungswidrig handeln, vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 5 TierSchG. Der maßgebliche Unterschied zu § 17 TierSchG ist hierbei, dass es sich bei § 18 TierSchG nicht um eine Straftat handelt und damit keine Freiheits- oder Geldstrafe verhängt werden kann. Dennoch wird eine Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet, welches sich nach § 18 Abs. 4 TierSchG auf bis zu 25.000,00 € belaufen kann.

Obwohl § 21 Abs. 1 S. 1  des Ordnungswidrigkeitengesetzes bestimmt, dass bei Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit nur das Strafgesetz angewendet wird, sieht es in der juristischen Praxis oftmals so aus, dass es lediglich zu einem Ordnungswidrigkeitenverfahren kommt. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass dem Leben nichtmenschlicher Tiere im Verhältnis zum Leben eines Menschen oftmals eine deutlich geringere Gewichtung zuteilwird. Zum anderen ist das Tierschutzrecht für die meisten Strafverfolgungsbehörden ein rechtliches Nebengebiet – mit der Folge, dass es vielmals an rechtlichen sowie tatsächlichen Kenntnissen im Umgang mit den Strafnormen des Tierschutzrechts mangelt.

Rechtmäßige Rettungshandlungen Dritter

Vielen Menschen ist bislang unklar, welche Rettungshandlungen sie vornehmen können, ohne sich selbst der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen.

Denn häufig ist die einzig verbleibende Rettungshandlung das Einschlagen der Fahrzeugscheibe, um den Hund aus dem Fahrzeuginneren befreien zu können. Dies erfüllt offenkundig den Tatbestand der Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB). Allerdings ist das Einschlagen der Fahrzeugscheibe zum Zwecke der Tierrettung gerechtfertigt, soweit keine anderen Handlungsalternativen wie das rechtzeitige Hinzuziehen von Einsatzkräften oder das Ausfindigmachen der Tierhalter:innen in Betracht kommen, um das Leben des Tieres zu retten.

Die rechtliche Grundlage für die Rechtfertigung der Rettungshandlung findet sich primär in der sogenannten Notstandshilfe gemäß § 34 StGB. Danach handelt derjenige, der in einer gegenwärtigen und nicht anders abwendbaren Gefahr für eines der in § 34 StGB aufgezählten Rechtsgüter eine Tat begeht, um diese Gefahr von einem anderen abzuwenden, nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Letzteres bedeutet, dass eine Abwägung zwischen dem Interesse des Eigentümers des Fahrzeugs am Erhalt seines Eigentums auf der einen Seite und dem allgemeinen Interesse am Tierschutz auf der anderen Seite ergeben muss, dass das Interesse am Tierschutz überwiegt.

Zu den von § 34 StGB umfassten Rechtsgütern gehört spätestens seit Einführung der aktuellen Fassung des Art. 20a GG auch der Tierschutz als ein Rechtsgut der Allgemeinheit.[3]Momsen/Savik in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 53. Edition, § 34, Rn. 5.1. Bei der nach § 34 StGB erforderlichen Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Tier um ein fühlendes Lebewesen handelt, sodass das Interesse des Eigentümers am Erhalt eines unbeschädigten Fahrzeuges in diesem Zusammenhang zurücktreten muss. Folglich kann durch das Einschlagen der Fahrzeugscheibe zur Rettung des Hundes eine Gefahr für ein Rechtsgut der Allgemeinheit in rechtmäßiger Weise abgewendet werden.

Strafbarkeit Dritter bei unterlassener Rettungshandlung

Demgegenüber drängt sich freilich die Frage auf, ob Dritte sich strafbar machen können, wenn sie einen in einem überhitzten Fahrzeug zurückgelassenen Hund nicht retten. Eine Strafbarkeit Dritter wegen quälerischer Tiermisshandlung durch Unterlassen gemäß § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG i.V.m. § 13 Abs. 1 StGB dürfte grundsätzlich daran scheitern, dass diese nicht für das Wohlbefinden des Tieres rechtlich einstehen müssen und damit keine Garantenstellung innehaben.

Darüber hinaus kommt eine Beihilfe zu quälerischer Tiermisshandlung gemäß § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG i.V.m. § 27 StGB regelmäßig mangels einer vorsätzlichen Gehilfenhandlung, folglich einer Handlung, die die quälerische Tiermisshandlung eines anderen ermöglicht, verstärkt oder vereinfacht, ebenfalls nicht in Betracht.

Dementsprechend bliebe für Dritte in der Regel lediglich eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323c Abs. 1 Alt. 1 StGB übrig.

Dies setzt allerdings voraus, dass ein Unglücksfall gegeben ist. Dieser wird als ein plötzlich eintretendes Ereignis definiert, das eine erhebliche Gefahr für ein Individualrechtsgut eines Menschen mit sich bringt, wobei eine Gefahr für eine Sache ausreichen soll.[4]Fischer, StGB, 66. Auflage 2019, § 323c, Rn. 3a. Rechtsgüter der Allgemeinheit, zu denen auch in Anlehnung an Art. 20a GG und §§ 1 ff. TierSchG der Tierschutz zählt, sollen nach einer weit verbreiteten Meinung in Literatur und Rechtsprechung von § 323c StGB hingegen nicht geschützt sein.[5]v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK, StGB, 53. Edition, § 323c Rn. 1.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 323c, Rn. 1.; OLG Celle, Beschluß vom 26.04.1988 – 3 Ws 103/88, NStZ … Weiterlesen Demgemäß käme bei dem Zurücklassen von Hunden in überhitzten Fahrzeugen lediglich eine Gefahr für eine Sache eines Menschen in Betracht, da Tiere im strafrechtlichen Sinne weiterhin als Sachen behandelt werden.[6]Wittig, in: Beck OK StGB, 52. Edition 01.02.2022, § 242 Rn. 4.2.

Allerdings ist ein Unglücksfall und damit eine etwaige Strafbarkeit Dritter zu verneinen, wenn die Betroffenen das Ereignis selbst absichtlich und frei verantwortlich herbeigeführt haben.[7]Fischer, StGB, 66. Auflage 2019, § 323c, Rn. 4. Bedauerlicherweise lassen nachlässige Hundehalter:innen ihre tierischen Mitbewohner wissentlich und willentlich sowie aus freier Entscheidung in den überhitzten Fahrzeugen zurück, sodass in diesen Fällen kein Unglücksfall im Sinne von § 323c StGB gegeben ist. Folgt man also der oben dargestellten Meinung und ordnet den Tierschutz nicht als ein von § 323c StGB umfasstes, eigenständiges Rechtsgut ein, so würden sich Dritte in der Regel nicht strafbar machen, wenn sie es unterließen, einen Hund aus einer lebensbedrohlichen Situation zu befreien.

Gleichwohl würden sich diese Menschen wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB strafbar machen, wenn sie es unterließen, ein Kind zu retten, das sich in derselben Situation befindet. Denn in dieser Konstellation wäre das Individualrechtsgut „menschliches Leben“ des Kindes in Gefahr, welches ein von § 323c StGB geschütztes, eigenständiges Rechtsgut darstellt. Diese archaische Auffassung ist jedoch vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Tiere oftmals dieselben Schmerzen und Leiden verspüren wie wir Menschen und der Einführung des Tierschutzes in unsere Verfassung über Art. 20a GG nicht mehr hinnehmbar.

Darüber hinaus kann weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 323c StGB entnommen werden, dass der Tierschutz als ein Rechtsgut der Allgemeinheit nicht geschützt sein soll. Vielmehr stellt § 323c StGB genau wie § 34 StGB,[8]Fischer, StGB, 66. Auflage 2019, § 34, Rn. 2. der wie bereits dargestellt den Tierschutz als ein Rechtsgut der Allgemeinheit umfasst, eine gesetzliche Ausprägung eines allgemeinen Solidaritätsprinzips dar.[9]Fischer, StGB, 66. Auflage 2019, § 323c, Rn. 2; Kühl in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 323c, Rn. 1.

Dementsprechend kann eine Gefahr für ein Tier als eine „Sache“ und damit ein Unglücksfall auch unabhängig von dessen rechtlicher Beziehung zu einem Menschen bejaht werden, sodass die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 323c Abs. 1 Alt. 1 StGB gegeben sind.

Um eine Ausuferung des Strafrechts zu vermeiden, ist jedoch in Anlehnung an § 17 TierSchG eine Einschränkung dergestalt vorzunehmen, dass von dem Schutzbereich des § 323c StGB nur Wirbeltiere umfasst werden.

Fazit

Die Ansicht, dass das Leben eines Tieres kein eigenständiges Rechtsgut darstellen soll, das von § 323c StGB geschützt wird, führt deutlich den tief in der juristischen Praxis verankerten Anthropozentrismus sowie Speziesismus vor Augen. Das Leben nichtmenschlicher Tiere wird überwiegend als ein Leben zweiter Klasse betrachtet, unabhängig davon, dass sie oftmals dieselben Schmerzen und Leiden verspüren wie wir Menschen. Begrüßenswert wäre daher eine schrittweise Reformierung der juristischen Praxis sowie Rechtsordnung, die es sich zum Ziel machen, das Leben aller fühlenden Lebewesen gleichrangig zu behandeln und zu schützen. Hierbei darf nicht nur auf die Interessen der Menschen abgestellt werden, sondern es müssen zudem die berechtigten Interessen der Tiere ausreichend Berücksichtigung finden.

Dass dieser ersehnte Wandel der juristischen Praxis sowie der Rechtsordnung nicht nur eine Wunschvorstellung darstellt, sondern bereits zumindest in Ansätzen Eingang in unserer derzeitigen Rechtsordnung gefunden hat, verrät zunächst ein Blick auf § 1 TierSchG. Danach bezweckt das Tierschutzgesetz den Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere als Mitgeschöpfe. Folglich ist das Tier des Tieres wegen zu schützen – also um seiner selbst willen und nicht aufgrund menschlicher Interessen oder Rechtsgüter.

Darüber hinaus ist der Tierschutz seit der Einführung der derzeitigen Fassung des Art. 20a GG ein fester Bestandteil unserer Verfassung. Diese in unserer Rechtsordnung vorhandenen Ansätze fordern von uns Menschen bereits jetzt nicht nur aus moralischer, sondern auch aus rechtlicher Sicht, Tiere, die in überhitzten Fahrzeugen zurückgelassen worden sind, zu retten.

 

 

Beiträge

War von 2022 bis 2023 Justiziar im PETA-Rechtsteam in Berlin. Im Rahmen seiner Tätigkeit befasste er sich schwerpunktmäßig mit Fragen und Fällen des Tierschutzrechts.

Quellen[+]