Tiere schützen, nicht halten! Wildtiere sind keine „Haustiere“

Tiere wie Affen, Wildkatzen oder Giftschlangen werden in Deutschland zunehmend privat und als vermeintliche Statussymbole gehalten. Import- und Handelsstatistiken zeigen, dass Deutschland einer der Hauptabsatzmärkte für Wildtiere weltweit und der größte Absatzmarkt innerhalb der Europäischen Union ist.[1]Altherr/Freyer/Lameter, Strategien zur Reduktion der Nachfrage nach als Heimtiere gehaltenen Reptilien, Amphibien und kleinen Säugetieren – Artenschutzrelevanz des Heimtierhandels. Bundesamt für … Weiterlesen Erst im vergangenen Monat decke PETA auf, dass die Weißschulter-Kapuzineräffin Jessy artwidrig privat gehalten und zu einem Preis von 8.300 Euro veräußert werden sollte.[2]Mühlebach, BILD, Behörde verbietet Haltung im Garten: Affe „Jessy“ musste Kinderkleidung tragen, … Weiterlesen Laut Angabe des zuständigen Veterinäramtsleiters sei Jessy schwer verhaltensgestört, würde ein Leben lang leiden und könne niemals ein artgerechtes Leben führen.

Doch sind der Handel mit Wildtieren und ihre Haltung überhaupt legal, und welche Beschränkungen gibt es?

Handelsbeschränkungen nur für vom Aussterben bedrohte oder gefährdete Tiere

Zunächst stellt sich die Frage, ob es erlaubt ist, Wildtiere zu importieren. Handelsbeschränkungen bestehen nur dahingehend, dass die betroffene Tierart nicht im Washingtoner Artenschutzabkommen / Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (CITES) gelistet sein darf. Durch diesen völkerrechtlichen Vertrag wird der Handel mit Tieren hinsichtlich vom Aussterben bedrohter oder gefährdeter Arten international geregelt. Je gefährdeter die Art ist, desto strenger sind nach CITES die Handelsbeschränkungen. Mit vom Aussterben bedrohten Arten (gelistet in CITES Anhang I) – wie Nashörnern – darf grundsätzlich nicht gehandelt werden, wobei Ausnahmen möglich sind. Bei gefährdeten Arten (gelistet in CITES Anhang II) wie beispielsweise Krokodilen erlaubt das Übereinkommen den Handel laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, wenn dieser „nachhaltig“ ist.[3]Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Washingtoner Artenschutzübereinkommen / CITES, … Weiterlesen Hierunter sei zu verstehen, dass „die Entnahme der betreffenden Exemplare der Erhaltung der Art nicht abträglich ist“.[4]Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Washingtoner Artenschutzübereinkommen / CITES, … Weiterlesen

Haltungsbeschränkungen bei invasiven gebietsfremden Tierarten

In Deutschland ist zum Schutz der heimischen Biodiversität grundsätzlich lediglich die Haltung von invasiven gebietsfremden Tierarten verboten. Als invasiv gebietsfremd werden jene Tiere bezeichnet, deren „Einbringung oder Ausbreitung die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen gefährdet oder nachteilig beeinflusst“, Artikel 3 Nr. 2 Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten. Hierzu zählen beispielsweise Waschbären oder Chinesische Wollhandkrabben.

Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme: Von dem Verbot kann abgewichen werden, wenn die Tiere aus einer Nachzucht stammen. Wenn also der Waschbär ein Nachkomme eines bereits in Deutschland gehaltenen Tieres ist, kann auch dieses Tier ausnahmsweise gehalten werden.

Haltungsbeschränkungen unter Sicherheitsaspekten 

Einige Tiere wie Giftschlangen oder Großkatzen können aufgrund ihrer Giftwirkung, Beißkraft bzw. sonstigen Körperkraft für Menschen potenziell gefährlich werden. Die Einordnung, ob eine Art als gefährlich eingestuft wird und ob es Einschränkungen bezüglich der Haltung gibt, ist zum Schutz der Bevölkerung in einigen Bundesländern geregelt. Wer beispielsweise in Bayern einen Puma halten möchte, muss gemäß Artikel 37 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes eine Erlaubnis beantragen. Ähnliche Regelungen gibt es beispielsweise in Berlin, Hamburg und Niedersachsen.

Nachdem im Sommer 2023 eine frei umherlaufende vermeintliche Löwin in Kleinmachnow für Aufsehen gesorgt hat, wird in Brandenburg immerhin über ein Verbot beraten (obwohl sich später herausstellte, dass statt einer Löwin ein Wildschwein gesichtet wurde).[5]Geduldig, rbb, Brandenburger Tierschutzkonferenz Brandenburg will private Haltung gefährlicher Tiere verbieten – Zeitpunkt weiter offen, … Weiterlesen In sechs Bundesländern wie etwa Baden-Württemberg oder eben Brandenburg gibt es keine Regelungen zur Haltung von gefährlichen Tieren. Damit ist in diesen Bundesländern die Haltung dieser Tiere ohne Erlaubnisvorbehalt möglich.

Beschränkungen wegen tierschutzwidriger Haltung

Soweit keine der obigen Beschränkungen bestehen, kann daher grundsätzlich jede:r Wildtiere halten. Nur im Nachhinein kann eine tierschutzwidrige Haltung zu einer Fortnahme des Tieres beziehungsweise zu einem Haltungsverbot führen (§ 16a Tierschutzgesetz (TierSchG)).

Wer ein Tier hält, muss dieses Tier nämlich seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (§ 2 Nr. 1 TierSchG) und darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 Nr. 2 TierSchG). Darüber hinaus müssen Halter:innen über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (§ 2 Nr. 3 TierSchG).

Das Halten von Wildtieren in Gefangenschaft beschneidet diese in ihren natürlichen Verhaltensweisen und ignoriert viele ihrer Bedürfnisse. Tiere, die sonst in freier Natur jagen, können ihrem arteigenen Nahrungserwerbsverhalten in Gefangenschaft nicht nachkommen. Besonders die Einzelhaltung von Tieren, die sonst in einem Gruppenverband leben, ist wegen der massiven Einschränkung des Sozialverhaltens tierschutzwidrig. Darüber hinaus können die oft bewegungsaktiven Tiere ihr natürliches Erkundungsverhalten und ihren Bewegungsdrang nicht annähernd ausleben. Richtlinien wie das „Säugetiergutachten“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), welches die Mindestanforderungen für die Tierhaltung entsprechend der jeweiligen Tierart festlegt, sind nicht bindend. Überdies werden sie von den zuständigen Veterinärbehörden unterschiedlich streng und oft zu Gunsten der Tierhaltenden und zu Lasten der Tiere ausgelegt.

Dass Tiere unter diesen Haltungsbedingungen leiden, zeigt sich häufig durch Verhaltensstörungen wie beispielsweise in Form von Stereotypien. Wildtiere, die in Gefangenschaft gehalten werden, können in der Regel nie wieder ausgewildert und ein artgerechtes Leben führen.

Hinzu kommt, dass die Ansprüche, Bedürfnisse und Haltungskosten der Tiere oft unterschätzt werden. Viele Privatpersonen, die sich für die Haltung von Wildtieren entscheiden, sind nach kurzer Zeit überfordert. Immer häufiger werden Schlangen und Reptilien dann einfach ausgesetzt. Dies führt schnell dazu, dass sie verhungern oder erfrieren.

Regelungen von Menschen für Menschen

Es ist zu konstatieren, dass die bestehenden und speziell für Wildtiere geltenden Handels- und Haltungsbeschränkungen fast ausschließlich menschlichen Interessen Rechnung tragen. Wildtiere können im Einklang mit der aktuellen Rechtslage profitbringend veräußert und dann von den Halter:innen als vermeintlich besondere Statussymbole als „Haustiere“ gehalten werden. Es bestehen lediglich Beschränkungen hinsichtlich bestimmter Arten zum Zwecke des Artenschutzes oder zum Schutz der Biodiversität. Die Verordnungen der Länder dienen primär dem Schutz von Menschen. An Handels- und Haltungsbeschränkungen wegen tierschutzrechtlicher Aspekte mangelt es. Sie sagen also nichts darüber aus, ob die Haltung dieser Tiere auch mit dem Tierschutzgesetz oder überhaupt mit individuellen tierlichen Interessen vereinbar ist.

Dadurch sind diese Regelungen unzureichend. Ein Eingreifen aus tierschutzrechtlichen Gründen erfolgt lediglich – und wenn überhaupt – reaktiv bei einer tierschutzwidrigen Haltung. Oft können diese Tiere nach einer Fortnahme vom Halter oder von der Halterin niemals ausgewildert werden und artgerecht leben. Hinzu kommt, dass in vielen Bundesländern die Haltung von Wildtieren nicht einmal beim Veterinäramt angezeigt werden muss. Somit findet in diesen Fällen auch keine tierschutzrechtliche Kontrolle statt.

Positivlisten als Verbesserungsansatz

Eine erste Verbesserung wäre die Einführung einer rechtlich bindenden Positivliste, in der festgelegt wird, welche Tiere für die Haltung geeignet sind. Wildtiere wären von dieser Liste auszuschließen, weil sie in Privathaltung nicht artgerecht leben können. Sie würde den präventiven Schutz der Wildtiere ermöglichen. Eine Positivliste ist nicht nur mit dem Grundgesetz (GG) sowie dem Europa- und Völkerrecht vereinbar, sondern wegen des Staatsziels Tierschutz aus Artikel 20a GG dringend geboten. Das aus diesem Staatsziel folgende sogenannte Verbesserungsgebot erfordert, dass der Gesetzgeber Tierschutznormen ständig zu überprüfen und zu verbessern hat.[6]Calliess, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 102. EL August 2023, GG, Art. 20a, Rn. 132; Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, GG, Art. 20a, … Weiterlesen

Wildtiere gehören in die Freiheit. Sie können in Privathaltung kein artgerechtes Leben führen. Es bedarf zum Schutz der Wildtiere umfassender und grenzüberschreitender Handels- und Haltungsverbote.

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Ist seit März 2023 Teil des Rechtsteams bei PETA in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit tierschutzrechtlichen Themen.

Quellen[+]