Zeit für einen Paradigmenwechsel: Personenstatus und Grundrechte für Tiere jetzt!

– 30 Jahre PETA Deutschland e.V. –

30 Jahre Tierrechtsarbeit zeigen, dass es unter den aktuellen gesetzlichen Bedingungen nicht ausreicht, Verhaltensänderungen anzustoßen, um die Tierausbeutung durch den Menschen zu beenden. Es leben zwar immer mehr Menschen in Deutschland vegan, Unternehmen vergrößern das tierfreie Angebot und für die Haltung sogenannter Nutztiere werden Vorgaben geschaffen, die zumindest vordergründig die Umstände für die in menschlicher Gefangenschaft lebenden Tiere „erträglicher“ machen sollen. Dennoch werden allein in Deutschland täglich 2 Millionen Tiere für menschliche Zwecke getötet. Solange die speziesistische Überzeugung vorherrscht, dass Tiere und ihr Wunsch nach Leben, Freiheit und Unversehrtheit weniger zählen, bloß weil sie Tiere sind, wird sich nichts Grundlegendes ändern. Deshalb muss ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel her. Tiere brauchen eigene Rechte, damit ihre Unterdrückung, Ausbeutung und Tötung endgültig beendet werden können. Darum fordert PETA, dass sie als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten.

PETAs Forderung zum 30-jährigen Jubiläum:

Tiere haben Gefühle und Bedürfnisse, genau wie Menschen. Es ist moralisch nicht vertretbar, sie auszubeuten oder sogar zu töten, nur weil sie Tiere sind. Zum 30. Jubiläum fordert PETA deshalb, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger schutzwürdiger Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. Diese Grundrechte sollten insbesondere das Recht auf Leben, auf Freiheit, auf körperliche Unversehrtheit und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfassen.

Tiere als „Personen“ anerkennen – was bedeutet das?

„Person“ ist eine juristische Kategorie. Alle Menschen sind Personen. Nur Personen können Rechte haben, insbesondere Grundrechte. Der juristische Gegenbegriff zur Person ist „Sache“. Alles, was nicht Person ist, wird rechtlich als Sache behandelt. Deshalb werden auch Tiere derzeit rechtlich behandelt, als seien sie Sachen, § 90a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sachen sind rechtlos. Der Mensch, der sich als das Maß aller Dinge begreift, maßt es sich an, Tiere zu benutzen, so wie er leblose materielle Sachen für seine Zwecke verwendet: Nach dieser Logik ist ein Auto zum Fahren da, ein Schwein, um gegessen zu werden, ein Pferd, um geritten zu werden, eine Maus, um an ihr herumzuexperimentieren. Die dahinterstehende Dualität zwischen Menschen als Personen mit grundrechtlicher Eigentums-, Berufs- und Forschungsfreiheit (etc.) – und Tieren als grundrechtslosen Objekten, an denen Menschen diese Rechte ausüben können, ist willkürlich. Wir fordern, dass Tiere aus diesem Unterwerfungsdualismus befreit werden.

Vom Bedürfnis zum Grundrecht

Tiere sind Lebewesen, die Empfindungen wie Freude, Furcht und Langeweile haben. Sie wollen leben und möchten nicht, dass man ihnen wehtut. Unter Hunger, Durst, Gefangenschaft und Isolation leiden sie genau wie wir. Diese Bedürfnisse sind es, die ein Wesen schutzbedürftig machen. Echter Schutz kann in einem liberalen Rechtssystem nur durch entsprechende Rechte erlangt werden. Rechtlichen Schutz verleihen nur der Personenstatus und die Zuerkennung von Grundrechten. Das hat die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte gelernt – und Sklaverei, Menschenzoos und Leibeigenschaft abgeschafft. Es ist nun an der Zeit, auch Tiere als das anzuerkennen, was sie sind: Mitlebewesen, mit denen wir uns die Welt teilen und deren Bedürfnisse das bewährte Schutzkonzept von rechtlichem Personenstatus und Grundrechten brauchen.

Welche konkreten Rechte sollen Tieren zugesprochen werden?

So wie Menschen müssen auch Tiere Grundrechte erhalten, die ihre arteigenen Bedürfnisse und Interessen schützen. Das sind beim Fuchs andere als bei der Kuh. Manche Tierarten leben beispielsweise in Gemeinschaften oder Familienverbänden, andere sind Einzelgänger. Allen Arten gemeinsam ist aber das Bedürfnis nach Leben, körperlicher Unversehrtheit und Freiheit. In Artikel 3 spricht die UN-Menschenrechtscharta von dem Recht jedes Menschen auf Leben, Freiheit und Sicherheit. Das allerdings sind die fundamentalen Grundbedürfnisse aller Lebewesen. Wichtig ist auch, dass Tiere nicht bloß als Angehörige einer Art, sondern auch als Individuen erkannt und anerkannt werden. Sie sind Persönlichkeiten mit individuellen Eigenarten und Bedürfnissen. Daher muss auch die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit grundrechtlich geschützt werden, wie das Grundgesetz es für Menschen garantiert. Dazu gehört z. B. der Wunsch zu spielen, sich zurückzuziehen, zu schlafen usw. Als Konsequenz dieser Erkenntnis fordert PETA, dass Tieren diese vier grundlegenden Rechte zuerkannt werden und sie Personenstatus erhalten.

Wieso brauchen Tiere eigene Rechte? Es gibt doch ein Tierschutzgesetz, das sie schützt – und wenn das nicht ausreicht, so könnte man doch eine Verschärfung dessen fordern.

In den vom Menschen dominierten Gesellschaften und Wirtschaftssystemen bestehen zum einen massive Ausbeutungsinteressen der Menschen an allem, was sie aus Tieren – meistens mit Gewalt – herausholen können. Nicht nur ganze Branchen wie die Fleisch-, Milch- und Wollindustrie, sondern ganze Volkswirtschaften beruhen auf dem unterdrückerischen Konzept, dass die Ausbeutung von Tieren Grundlage für einen vermeintlichen „Wohlstand“ des Menschen sein soll. Hinzu kommt, dass die Menschen bei der Anwendung von Gewalt zur Mehrung ihres Wohlstandes den Tieren überlegen sind. Das Zusammenspiel von Rechtlosigkeit, faktischer Unterlegenheit und natürlichen oder angezüchteten Verwertungsmöglichkeiten ist der Grund dafür, dass es kein Tierschutzgesetz auf der Welt gibt, das die elementaren Bedürfnisse von Tieren schützt. Deshalb ist der Personenstatus für Tiere dringend nötig. Damit wäre u. a. Eigentum an Tieren ausgeschlossen und somit auch die Verwertungsrechte des Eigentümers an seinem Eigentum i.S.d. § 903 BGB. Jeglichem Nutzungsinteresse eines Menschen an einem Tier könnten dann die Grundrechte des individuellen Tiers entgegengehalten werden. Profane Nutzungswünsche wie z. B: Tiere zu töten, um aus ihnen Ledertaschen zu machen, bleiben dann unerfüllt. Diese juristische Struktur des Abwägens von Interessen und Bedürfnissen ist es, die es erforderlich macht, dass Tiere als Personen und Träger eigener Rechte anerkannt werden – dabei handelt es sich nicht um ein Privileg, das ihnen zugestanden werden würde: Aktuell wird ihnen dieser Status ungerechtfertigterweise verwehrt.

Entwertet man durch die Zuerkennung von Rechten nicht die besondere Stellung des Menschen und damit humanistische Grundwerte?

Die normative Sonderstellung des Menschen – wenn es denn eine gibt – beruht nicht auf der Fähigkeit, Gewalt gegenüber Schwächeren auszuüben, sondern gerecht und respektvoll handeln zu können. Dies sind schon jetzt universelle Grundwerte einer moralisch entwickelten Haltung, sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Es gibt keinen Grund, diese fundamentalen Werte in dem Moment in ihr Gegenteil zu verkehren, in dem es um das Verhalten gegenüber anderen Spezies geht. Humanismus richtig verstanden bedeutet nicht Spezies-Egoismus, sondern die Anwendung von Gleichheitsgrundsätzen gegenüber gleichartigen Bedürfnissen und eine Schutzverpflichtung gegenüber fühlenden Lebewesen, die unseres Schutzes bedürfen.

Kann nicht nur Rechte haben, wer auch Pflichten hat?

Dieses Reziprozitätsargument ist in sich unschlüssig. Es wird auch in Bezug auf Menschen nicht angewendet. Aus gutem Grunde haben zum Beispiel Kinder oder zivilrechtlich geschäftsunfähige Menschen Rechte, ohne entsprechende Pflichten zu haben. Sie sind besonders verletzlich und genauso schützenswert wie Menschen, die Pflichten (auch für sie) erfüllen. Gleiches gilt für Tiere, die ein Bedürfnis nach Leben, Freiheit, körperlicher und psychischer Unversehrtheit und freier Entfaltung haben und sich den Gefahren ausgesetzt sehen, die sich aus den Nutzungsinteressen der Menschen ergeben.

Wenn eine Maus ein Recht auf Leben hat: Kann sie dann zur Anwältin gehen, wenn eine Katze versucht, sie zu essen?

Der Mensch ist in der Lage, sich nach moralischen Maßstäben zu verhalten. Hieraus folgt nicht etwa ein Gewaltanwendungsrecht, sondern eine Verantwortung, sich diesen Werten, die eine zivilisatorische Errungenschaft sind, entsprechend zu verhalten. Ein friedlicher Umgang miteinander ist unter Menschen ein hoher Wert, der auch im Umgang mit anderen Tieren moralisch nicht anders zu bewerten ist. Beutegreifer haben die Wahl zwischen richtig und falsch nicht, sie folgen ihren natürlichen Bedürfnissen und biologischen Dispositionen. Sie bereichern sich nicht, wenn sie andere Tiere essen, sondern befriedigen ihre Grundbedürfnisse. Insoweit findet das statt, was man Natur nennt. Der Mensch ist zwar auch Teil des Tierreichs, er ist aber nicht biologisch darauf angewiesen, Tiere einzusperren oder sie zu töten, um sich etwa gesund ernähren zu können oder sich zu kleiden.

An wen richtet sich die Forderung nach Zuerkennung von Personenstatus und Grundrechten für Tiere?

Für die Anerkennung von Personenstatus und Grundrechten für Tiere ist eine Ergänzung des Grundgesetzes erforderlich. Das ist nach Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz möglich. PETA ruft Bundestag und Bundesrat dazu auf, den Personenstatus von Tieren und ihre Grundrechte in der deutschen Verfassung zu verankern. Mit einer Zweidrittelmehrheit in den beiden Gesetzgebungskammern können die entsprechenden Änderungen vorgenommen werden. Es müssen also die im Bundestag vertretenen Parteien und die im Bundesrat vertretenen Länderregierungen aktiv werden und die erforderlichen Änderungen herbeiführen.

Die demokratischen Institutionen sind der Ort, um die willkürlich gezogene Grenze aufzubrechen, die Tiere zu Objekten herabsetzt und damit ihre Unterdrückung ermöglicht. Die Anerkennung und Inklusion von Tieren in den Kreis der Wesen, die frei sein, leben wollen und darauf auch ein Recht haben, ist überfällig.

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ist seit 2013 Justiziar bei PETA Deutschland e.V. und leitet die Rechtsabteilung PETAs im Berliner Büro. Neben sämtlichen rechtlichen Aspekten sind die Bereiche Tierethik und Tierschutzpolitik Schwerpunkte seines Einsatzes für eine speziesismusfreie Welt.